Full text: Deutsches Kolonialblatt. XXVIII. Jahrgang, 1917. (28)

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Kriegsrechts eine gesetzliche Berechtigung fest- 
gestellt werden. Strafexpeditionen zogen im 
Lande umher, überfielen kleine Ortschaften und 
wüteten willkürlich unter der Bevölkerung, derart, 
daß der amtliche Bericht selbst erklärt, der Re- 
gierungskommissar schiene seinen Auftrag so auf- 
gesaßt zu haben, daß er die Lynchinstiz in seinem 
Gebiete einführen und sich mit seiner Patronille 
so betragen dürfe, wie man es in Schauer- 
romanen aus dem wilden Westen zu lesen pflege. 
Das Bezeichnende an der ganzen Sache ist, daß 
die amtlichen Leiter dieser Menschenschlächtereien 
keinerlei Bestrafung außer der Enthebung aus 
ihrer Tätigkeit als Friedensrichter erlitten haben, 
trotz ihres „ekelhaften und abschenerregenden Be- 
tragens“, wie der Bericht es nennt. Das also, 
fragt „Manchester Guardian“, solle das Wort 
jener berühmten Gerechtigkeit sein, auf der au- 
geblich das Britische Reich begründet sei, und 
sährt dann fort: „Wenn so große Ungerechtig- 
keiten geschehen konnten, so ist vernunstgemäß 
anzunehmen, daß in kleinem Maßstabe viele 
andere begangen worden sind.“ (M. G. 2. 11.) 
Sollte die englische Regierung sich, auf den 
Standpunkt stellen, das Selbstbestimmungsrecht 
der Eingeborenen in den deutschen Kolonien zu 
sordern, so möchte ich heute schon die Gegen- 
sorderung anmelden, eine Volksabstimmung in 
Ceylon über den Fortbestand der englischen 
Herrschaft zu veranstalten. Uber das Ergebnis 
bin ich so sicher wie über den Ausfall eines 
Reserendums in Ostindien und in Singapore, wo 
während des Krieges auch ein surchtbares Blut- 
regiment an der Arbeit war. Daß wir es hier 
nicht mit Einzelerscheinungen zu tun haben, sondern 
daß eine grundsäbzliche Wandlung in Englands 
Auffassung seiner kolonisatorischen Pflichten und 
Methoden gegenüber Farbigen und Weißen vor- 
liegt, beweisen grundlegende Beschlüsse, die in 
Westminster gefaßt worden sind. Ich erinnere nur 
an die skrupellose Verwendung sarbiger Truppen 
auf dem europäischen Kriegsschauplatze. England 
ist hier immer mehr in das Fahrwasser der 
Franzosen geraten. Noch hat England nicht die 
Wehrpflicht für seine farbigen Untertanen eingeführt, 
aber schon finden Zwangsaushebungen statt, und 
eine der ausschlaggebenden Figuren des Lloyd 
Georgeschen Kabinelts, der „Stratege“ Winston 
  
Churchill, erhofft noch immer die Entscheidung auf 
dem europäischen Kriegsschauplatz von einer rück- 
sichtslosen Versklavung der farbigen Bevölkerung 
für die militärischen Zwecke Euglands. Wie ein 
furchtbarer Hohn auf die Gesinnung des heutigen 
Englands klingt das Wort, das vor einigen Mo- 
naten General Smuts sprach: 
Gerechtigkeit und die gewöhnlichen christlichen 
Tugenden dürfen die Grundlage unserer Be- 
ziehungen zu der schwarzen Bevölkerung bilden.“ 
Die Engländer legten ehedem und, wie ich 
glaube, mit Recht noch einen zweiten Prüsstein 
an das moralische Recht einer Nation, Kolonial= 
macht zu sein, das war die Auffassung von der 
Stellung des Weißen gegenüber dem Eingeborenen 
und von den Pflichten gegenüber den weißen 
Schwesternationen. Auch diese Probe fällt für 
das heutige England moralisch vernichtend aus. 
Mit einem Zynismus ohnegleichen wurde das 
Ansehen der weißen Rasse in Afrika preisgegeben 
und damit alle Grundlagen des enropäischen 
Missions= und Erzieherberufs untergraben. Ich 
erinnere an die Auspeitschung von Deutschen vor 
Schwarzen und durch Schwarze und an die Aus- 
treibung unserer Missionen, die sich oft unter 
raffinierter Gransamkeit und Demütigung vollzog. 
Auch hier wiederum keine Einzelvergehen minder- 
wertiger Personen, die ohne Aufsicht handeln, 
sondern die methodische Ausführung einer Kriegs- 
politik, mit dem Endzweck, auch nach dem Kriege 
zu wirken. 
Zu demselben Endzweck wurde eine dritte 
Grundlage der zivilisierten Kolonialpolitik ger- 
stört, eine Grundlage, die früher England als 
notwendig erachtet hatte, um das Wesen der 
Kolonialmacht moralisch zu rechtfertigen. Sir 
Harry Johnston schrieb vor dem Kriege: 
„Nur kair plax, 
„Nur, weil die britische Handelspolitik bis- 
her so prächtig sair und frei gewesen ist aller 
Welt gegenüber in allen britischen Besitzungen, 
hat die übrige Welt ohne ungebührliches 
Murren erlaubt, daß eine Bevölkerung von 
nur einigen 10 Millionen in Nordwestenropa 
sich die Beherrschung der besten Teile Afrikas, 
Asiens, Anstraliens und Ameritas angemaßt 
hat. Aber eine Umkehrung dieser Politik 
würde meiner Meinung nach gelegentlich all
	        
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