Full text: Deutsches Kolonialblatt. XXVIII. Jahrgang, 1917. (28)

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die andern großen handeltreibenden Mächte 
der Welt zu einer Liga gegen uns vereinigen.“ 
Meine Herren! Soweit ist es jetzt gekommen! 
Die britische Handelspolitik hat sich in der Tat um- 
gekehrt. Das England, dessen Söhne so stolze Säße 
aussprechen konnten, ist heut ohnmächtig. Bisher 
galt die englische Oberhoheit in einem über- 
seeischen Gebiete auf der ganzen Welt als Ga- 
rantie für die Rechtssicherheit der Person und 
des Eigentums. Besonders der deuische Kauf- 
mann steckte seinen Fleiß, seine Intelligenz und 
sein Kapital fast ebenso gern in Kolonial-Unter- 
nehmungen auf englischem Hoheitsgebiet wie auf 
deutschem, im Vertrauen auf Englands Kauf- 
mannsehre und auf die Billigkeit seiner Recht- 
sprechung. 
maucher unserer Kaufleute bereit, zu schwören, 
daß sein Vermögen während des Krieges in 
Englands Schutz sicher anfbewahrt wäre. Es 
ist anders gekommen! Der deutsche Kaufmann, 
die ganze Welt hat in diesem Punkt gewaltig 
lumlernen müssen. Die Liquidationen des deut- 
schen Besitzes in den Kolonien Englands sind 
mit unerhörter Rücksichtslosigkeit unter Vernichtung 
großer Werte vor sich gegangen: die Anusnutzung 
des „Trading witu the Enemy'“-Gesetzes, um 
sich geschäftlichen Verpflichtungen zu entziehen, 
die Vernichtung von Geschäftsbüchern nach gründ- 
licher Durchstöberung zum Zwecke des Aufspürens 
von Geschäftsgeheimnissen, alles unter der Maske 
einer behördlichen Aussichtsführung, das hat ge- 
geigt, wie die Regierung, die heute in England 
an der Macht ist, diesen Krieg in der Tat zur 
Vernichtung des deutichen Handels führt. Lloyd 
George hat es kürzlich in seiner großen- Offen= 
herzigkeit selbst eingestanden. 
Meine Herren! Ich bin mir dessen voll be- 
wußt: mit dieser Gesinnung bei unseren Feinden 
bleibt der Wunsch und die Hoffuung nach dem 
gemeinsamen Aufban der kolonialen Zukunft, auf 
die Neuschaffung der verlorenen ideellen Werte 
eine Utopie! Es bleibt der Krieg im Frieden, 
d. h., auf Afrika angewandt, es bleibt das bis- 
herige System eifersüchtigen Wettbewerbs der 
Kolonialmächte, unter dem die Emfaltung der 
produkliven Kräfte des Landes und der Ausstieg 
der Eingeborenen naturnotwendig gelühmt wird. 
Noch zu Anfang des Krieges war 
  
Unter diesen Voraussetzungen wird Asrika nicht 
den allseits ersehnten Dauerfrieden sichern helfen, 
sondern im Gegenteil weiterhin gefährliche Rei- 
bungsflächen bieten, an denen sich nur zu leicht 
ein neuer Weltbrand entzünden kann. 
Meine Herren! Das ist aber nicht die Zu- 
kunft Afrikas, von der ich heute abend sprechen 
will. Zu dem Bilde Afrikas, wie es mir vor- 
schwebt, brauche ich hellere und freundlichere 
Farben. Die unerfreulichen und pessimistischen 
Gedanken, die uns die Haltung Englands wäh- 
rend des Kriegs förmlich aufdrängt, mache ich 
mir nicht zu eigen. Meine Herren! Ich lehne 
diese Gedankengänge ab, weil kein Friedensschluß 
denkbar ist mit der Gesinnung, die heut in 
England am Ruder ist. Es ist kindlich, zu 
glauben, Deutschland könne sich mit den Expo- 
neuten der kriegsvergnügten Borergesinnung 
des game dog Sspirits — an den Verhandlungs- 
tisch setzen. Wir brauchen einen Umschwung in 
allen Ländern zu den besten Aspirationen der 
Vergangenheit, und ich darf denienigen für einen 
Unverbesserlichen Pessimisten erklären, der einen 
solchen Umschwung nicht auch in England für 
möglich hält: Der Umschwung muß und er wird 
kommen! Deun die Kunockont-Politiker können sich 
nur unter einer Voraussetzung halten: nämlich 
unter der Voraussetzung, daß sie ihr Versprechen 
erfüllen, uus militärisch nmederzuringen und dem 
deutschen Volk einen englischen Frieden zu diktieren! 
Es ist möglich, daß wir noch lange kämpfen 
müssen, bis alle Illusionen, die zum Bestande 
dieser Kuockont-Politik gehören, zusammengebrochen 
sind, aber sie werden zusammenbrechen! Unsere 
Waffen können und werden den Gesundungs- 
prozeß beschleunigen, schließlich aber muß sich wie 
überall die Natur des Patienten selbst helfen. 
Wenn ich also im folgenden die afrikanische 
Zukunft schildere, wie ich sie mir denke und wie 
Deutschland sie sich wünschen muß, nicht nur um 
Deutschlands, sondern um der Menschheit willen, 
so setze ich dabei immer voraus, daß noch vor 
Kriegsende, in allen Ländern, die Gesinnung zur 
Herrschaft kommt, mit der allein das neue Europa, 
mit der allein das neue Afrika gebant werden kann. 
Das nenue Afrika soll hervorgehen aus der 
im Friedensvertrage niederzulegenden Verständi- 
gung der beteiligten europäischen Staalen. Die
	        
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