Full text: Deutsches Kolonialblatt. XXVIX. Jahrgang, 1918. (29)

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der aufgeführten Missionen beiderlei Konfession hat 
in der Tat besondere Erwähnung verdient. Sie 
wollen aber aus dieser Aufzählung ersehen, welch 
machtvollen Aufschwung das gesamte deutsche 
Missionsleben seit dem Erwerbe unserer Kolonien 
erfahren hat. Diese erfreuliche Tatsache ist eine 
unmittelbare Folge der engen Wechselbeziehungen 
zwischen der Tätigkeit des Kolonisators und der- 
jenigen des Missionars. 
Die erste Ausbreitung des Christentums folgte 
vielfach den Wegen erst der jüdischen und später 
der römischen Kolonialbewegung, und auch im 
Mittelalter war Mission und Kolonisation aufs 
engste miteinander verknüpft. Am deutlichsten 
aber prägte sich der enge Zusammenhang zwischen 
beiden aus im Zeitalter der großen Entdeckungen, 
im 16. und 17. Jahrhundert. Hand in Hand 
mit der Entdeckung Amerikas und der Seewege 
nach Ostindien und um das Kap der Guten 
Hoffnung ging die Verbreitung des Christentums 
in den neuerschlossenen Gebieten. Dominikaner= 
und Franziskaner-Mönche begleiteten die kühnen 
Seefahrer auf ihren Entdeckungsreisen, und 
pflanzten alsbald, von der staatlichen Autorität 
im weitestgehenden Maße unterstützt, das Banner 
des Christentums in den eroberten Heidenländern 
auf. Und wenn wir uns, was unsere engere 
Heimat anbelangt, dem Zeitalter der Kolonialära 
— Ende der 70er und Anfang der 80er Jahre 
des vorigen Jahrhunderts — zuwenden, so zeigt 
die Entwicklung, die das deutsche Missionswesen 
seitdem genommen hat, mit aller Deutlichkeit, wie 
sehr, trotz grundsätzlicher Unterschiede in den Auf- 
gaben und Zielen, Mission und Kolonisation eng 
zusammenhängen und aufeinander angewiesen 
sind. Wohl ist der Missionar, wie wir gesehen 
haben, oft vor dem Beamten und Offizier der 
Kolonialregierung in den abgelegenen und schwer 
zugänglichen Ländern der Eingeborenen gewesen 
und hat damit bewiesen, daß er seine unerschrockene 
und hingebungsvolle Bekehrungsarbeit auch da zu 
leisten vermag, wo die schützende und helfende 
Hand der staatlichen Autorität fehlt; allein kein 
im Missionsdienst erfahrener Sendbote Gottes 
wird sich der Erkenntnis verschließen, welche 
Wohltat und welche Förderung für das Missions- 
werk eine geordnete Kolonialregierung bedeutet. 
  
Sie sorgt für Ruhe und Sicherheit, für Ver 
waltung und Rechtspflege, erleichtert den Missionen 
durch Schaffung von Verkehrswegen und Verkehrs- 
mitteln, als da sind Straßen, Eisenbahnen, Post- 
und Schiffahrtsverbindungen, ferner durch wirt- 
schaftliche und sanitäre Maßnahmen in erheblichem 
Maße ihre Arbeit, ist bemüht, die Missionen 
moralisch zu unterstützen und durch Zollerleichte- 
rungen und andere Privilegien ihre finanziellen 
Lasten erträglicher zu machen. 
Demgegenüber bietet die Arbeit der Missionen, 
ihr unermüdliches Wirken im Dienste der Heiden- 
bekehrung, ihre methodische Beschäftigung mit 
allen Angelegenheiten der Eingeborenen und das 
Studium ihrer Lebensnotwendigkeiten eine solche 
Fülle unmittelbarer praktischer Kolonisationsarbeit, 
daß keine einsichtige Regierung auf die wertvolle 
Mithilfe der Missionen würde verzichten wollen. 
Die Eingeborenen sind ja, wie mein verehrter 
Herr Amtsvorgänger Exzellenz Dernburg mit 
Recht betont hat, das wertvollste Kapital in 
unseren Kolonien. Wer aber einmal die Ein- 
geborenen einer unerschlossenen, von Weißen noch 
nicht betretenen Kolonie, in ihrem von unserer 
Kultur unberührten Zustande gesehen hat, der 
weiß die unsäglichen Schwierigkeiten zu ermessen, 
die dem Missionar sowie dem Verwaltungsbeamten 
bei der Aufgabe erwächst, dieses Kapital zu heben 
und für die Menschheit zinspflichtig zu gestalten. 
Es ist ein ernstes und schweres Problem, ein 
heiliges Menschheitsproblem! Es ist einer der 
größten und schönsten Gedanken, den Völkern, 
die in der Dunkelheit barbarischer Anschauungen 
vegetieren, das Licht des Glaubens zu bringen 
und sie für die Segnungen unserer höheren Kultur 
vorzubereiten. Unendliche Schwierigkeiten er- 
warten den Pionier, der sich dieser Aufgabe 
widmet und sich in den Dienst dieses erhabenen 
Zieles stellt. Wie sieht der Acker aus, den er 
bestellen soll? Welche Felsblöcke müssen weg- 
gerollt und wie muß im Schneiße des Angesichts 
gerodet werden, ehe der Samen der christlichen 
Lehre ausgestreut werden kann! Finsterer Aber- 
hlaube, Stammesfehden und Blutrache, ränkevolle 
Zauberer und Medizinmänner, grausame Unsitten 
bei der Geburt der Kinder, der Mangel jeglicher 
Hygiene, Unterernährung wechselnd mit Völlerei,
	        
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