Full text: Deutsches Kolonialblatt. XXVIX. Jahrgang, 1918. (29)

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das sind die Felsblöcke, die auf dem Acker liegen, 
das sind die Hauptfaktoren, die einer gesunden 
Weiterentwicklung der sich selbst überlassenen Ein- 
geborenen im Wege stehen, die ihre Volkskraft 
nicht zur Entfaltung kommen lassen und oft zum 
Aussterben ganzer Stämme geführt haben. Eine 
erfolgreiche Bekämpfung dieser am Marke der 
Naturvölker zehrenden unheimlichen Kräfte gehört 
zu den ersten und wichtigsten Aufgaben des 
Missionars und des Kolonisators. Um dieses Ziel 
zu erreichen, genügt es nicht, ein Schutzgebiet 
mit Waffengewalt zu erobern und den Ein- 
geborenen den Willen des Eroberers aufszu- 
zwingen. Wir müssen die neue Welt, die wir mit 
ihrer anders gearteten Menschheit in Besitz 
nehmen, uns auch geistig zu eigen machen; wir 
müssen uns bestreben, den Eingeborenen innerlich 
zu erfassen und ihm näher zu kommen, wir müssen 
ihn begreifen lehren, warum wir von ihm eine 
Abkehr von seinen bisherigen Lebensgewohn- 
heiten verlangen, er muß verstehen, daß es Güte 
ist und nicht Härte, wenn wir ihn zwingen, auf 
ihm Liebgewordenes zu verzichten. 
Um die Eingeborenen leiten zu können, müssen 
wir ihre Sitten, Gewohnheiten, ihre Rechtsver- 
hältnisse eingehend studieren, wir müssen ihre 
Welt kennen lernen, wir müssen die Welt so 
kennen lernen, wie sie sich in den Köpfen der 
Menschen abspiegelt, die Jahrhunderte abseits vom 
Schatten der Kultur gelebt haben. Erst wenn 
man unterscheiden gelernt hat, was dem Einge- 
borenen lieb und wert ist, was ihm als heilig 
oder profan gilt, was er für dumm und klug 
hält, was ihm als gut und was als böse er- 
scheint, erst wenn man weiß, warum er dieses 
als wichtig, jenes als Lappalie auffaßt, erst dann 
versteht man seine Gedanken, und erst dann kann 
man den Argumenten seiner Logik begegnen. 
Ungebildete Leute werden sich zunächst schlecht 
mit den Eingeborenen verstehen, weil sie sich in 
fremde Gedanken nicht hineinfinden können und 
weil sie den Eingeborenen lediglich als corpus vile 
für ihre Erwerbsabsichten ansehen. Aus diesen 
Kreisen stammen auch die unfreundlichen Anreden 
für unsere farbigen Schutzgenossen, wie Nigger, 
Kanaker, Kuli! 
Meine Damen und Herren! Ich habe als 
Gouverneur über zehn Jahre mit und unter den 
  
Eingeborenen der Samoa-Inseln gelebt und habe 
Jahre meines Lebens dem Studium der Ein- 
geborenen gewidmet. Bei dem selbstverständlichen 
Wunsch unserer Regierung, für unser deutsches 
Vaterland Vorteile aus den Kolonien zu ziehen, 
habe ich nie vergessen, daß unsere Kolonien die 
Heimat sind von Menschen, denen wir unseren 
Schutz versprochen haben, für die wir sorgen 
müssen. Diesen Standpunkt habe ich als Gou- 
verneur meinen Beamten eingeschärft und habe 
ihn später als verantwortlicher Leiter unserer 
Kolonialverwaltung für sämtliche deutschen Kolo- 
nien als Leit= und Grundsatz aufgestellt. Es ist 
aber praktisch nicht viel gewonnen, wenn man 
die Aufgaben des Kolonisators deduktiv aus dem 
Rechtsverhältnisse zwischen Kolonie und Mutter- 
land und aus den Postulaten der christlichen 
Weltanschauung herleitet. Wer nicht jahrelang 
unter den Eingeborenen gelebt und Anteil ge- 
nommen hat an ihren Leiden und Freuden, 
wessen Herz nicht für sie schlägt und wer nicht 
das Gefühl der Nächstenliebe auch für tiefer- 
stehende, anders denkende und fühlende Menschen 
empfindet, der wird die Freudigkeit und Be- 
geisterung nie verstehen, mit der der berufene 
Kolonisator und Missionar an seine Arbeit geht. 
In diesem Zusammenhang wird Ihnen der Sinn 
der Worte klar werden, die ich im Reichstag und 
in öffentlichen Reden wieder und wieder aus- 
gesprochen habe: Kolonisieren ist Missionieren! 
Das Thema der Eingeborenen-Behandlung ist 
für die Mission so wesentlich, daß ich Sie bitte, 
noch etwas dabei verweilen und Ihnen einige 
Beispiele von den krausen Gedankengängen der 
Eingeborenen geben zu dürfen, die ich selbst in 
Samoa erlebt und beobachtet habe. Dabei bitte 
ich Sie zu bedenken, daß die Polynesier, zu denen 
die Samoaner gerechnet werden, zu den fort- 
geschrittensten der farbigen Rassen gehören und 
daß die Samoaner seit Jahrzehnten Christen sind. 
Aber um so charakteristischer zeigt sich an ihnen, 
wie tief das Heidentum auch nach der Bekehrung 
in seinen einstigen Bekennern wurzelt. 
In der Stadt Leulumoega auf der Insel Upolu 
war einst ein Aufstand, weil ein Samoaner die 
Schale einer Schildkröte ohne Erlaubnis der 
Häuptlinge an einen Händler geschenkt hatte. — 
Bei einer zeremoniellen Essensdarbringung an
	        
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