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UBberlegenheit legte die Vermutung nahe, daß der
Gegner die Kräfte am Kamerunberg bedeutend
überschätzte. Es konnte nur von Vorteil für die
deutsche Abteilung sein, ihn hierin zu bestärken.
Je stärker er die Abteilung am Kamerunberg
einschätzte, desto mehr Truppen mußte er zum
Angriff auf sie bereitstellen, desto unangenehmer
fühlte er sie, je weiter er ins Innere vordrang,
als Bedrohung seiner Flanke. Es war damit zu
rechnen, daß der Feind ausschließlich seine Nach-
richten durch die am Kamernnberg ansässigen
Eingeborenen erhielt; es kam also darauf an,
auch diese zu tänschen. Durch Aufteilung der
gesamten Truppe in kleinere Abteilungen, die
häufig ihre Quartiere wechselten, durch Aufstellung
neuer, mit Eingeborenengewehren ausgerüsteten
Truppen, die aber nie am Feinde verwendet
wurden, und durch weit über den Bedarf hinaus-
gehende umfangreiche Befestigungsanlagen ist
jedenfalls unter den Eingeborenen und wahr-
scheinlich auch beim Feind der erwünschte Eindruck
erzielt worden. Bestärkt wurde er durch weit
vorfassende Patrouillenunternehmungen mit starken
Kräften, die sich bis Mbonjo ausdehnten, als
dort Anfang November starke feindliche Abteilungen
festgestellt wurden.
Das Mitte Oktober unter schweren Verlusten
vom Feind erzwungene Vorrücken auf Kake und
Susa an der Nordbahn, dem die Kompagnie
v. Engelbrechten auf Majuka ausgewichen war,
eröffnete dem Feind einen neuen Weg nach Buea
— über Mpundu. Ihn verlegte die von der
Abteilung Sommerfeld auf dringende Bitte ent-
sandte Verstärkungsabteilung von 30 Gewehren
des Leutnants der Reserve Gröpke, die Mpundu
besetzte. Zwei von dort ausgehende energische
Vorstöße gegen Mbonjo, einer unter Führung
von Leutnant Tiede am 3. und der andere unter
Führung von Leutnant v. Behr am 7. November,
brachten dem Feinde, der am 6. November Mu-
juka besetzt hatte, Verluste und störten seine Vor-
bereitungen. Ein über Bombe auf Mujuka am
8. angesetzter Flankenstoß mußte abgebrochen
werden, da der Feind am 7. Mujuka wieder
räumte.
Der mit starker Überlegenheit auf Mujuka
vorgeführte feindliche Stoß, dessen Nebenziel die
Zerstörung des Bahnkörpers zwischen Mujuka und
Susa war, hatte den Zweck, die äußerst rührige
Kompagnie v. Engelbrechten, die entlang und mit
Hilfe der Bahnstrecke den Feind dauernd störte,
abzuschütteln, um Truppen und Kraft für den
Angriff auf den Kamerunberg zu erübrigen. Die
Größe der Mittel, mit denen dieser Angriff vor-
bereitet und durchgeführt wurde, beweist, daß der
Feind sich über die Stärke der am Kamerunberg
befindlichen Truppen hat täuschen lassen.
Klares Übergangswetter am 12. November
ermöglichte die Beobachtung der Schiffsbewegungen
in der Kamerunmündung von Soppo und Buea
aus. Gegen 11 Uhr vormittags lösten sich von
der in der Manokabucht liegenden „Cumberland“
sieben bis acht kleine Fahrzeuge, die Kurs auf den
Kamerunberg nahmen. Gleichzeitig konnte zahl-
reicher Kannverkehr im unteren Mungo festgestellt
werden. Am 11. hatte außerdem der Komman=
dant der „Joy'’ in Victoria durch einen Parla-
mentär die Beschießung ankündigen lassen, falls
der Ort nicht bis 4 Uhr nachmittags übergeben
sei. Weisungsgemäß antwortete der das Kom-
mando führende Offizier, Leutnant der Reserve
Feldmann: Victoria wird verteidigt. Der An-
griff am 13. November morgens kam also nicht
überraschend. Die Truppe war gewarnt und auf
allen Posten gefechtsbereit. ·
Da Bombe zur Verbindung mit der Kompagnie
v. Engelbrechten mit 30 Mann besetzt war, standen
am Kamerunberg noch 150 Gewehre. Gegen sie
entwickelte der Feind auf Victoria, Tiko und
Mpundu in drei Angriffskolonnen etwa 2000 Mann
mit reichlicher Maschinengewehr= und Geschützaus-
stattung. Der Ausgang dieses ungleichen Kampfes
konnte nicht zweifelhaft sein. Daß er von der
schwachen deutschen Truppe trotzdem angenommen
und tapfer durchgefochten wurde, gereicht ihr zur
hohen Ehre. Ein besonderes Ruhmesblatt der Ge-
schichte des Feldzuges in Kamerun bildet aber der
heldenhafte Durchbruch, den nach zweitägigem, er-
bittertstem Ringen 8 Europäer und 60 Farbige
durch einen mehrtägigen Gewaltmarsch über die bis
4000 m ansteigenden Kuppen des Kamerunberges
erzwangen. Die tapfere Schar fand Anschluß an
die 100 km im Innern kämpfende Schutztruppe.
Vor Victoria erschienen am 13. gegen 8 Uhr
morgens der französische Panzerkreuzer „Bruix“,
die englische Jacht „Ivy“, ein Truppentransport-
schiff sowie mehrere Barkassen. Die Beschießung
von Victoria und Botha begann Punkt 9 Uhr
vormittags und dauerte mit geringer Unterbrechung
zwei Stunden. Verluste von Menschenleben ver-
ursachte sie nicht, dagegen Gebäudeschaden. Wäh-
rend der zweiten Hälfte der Beschießung landete
der Feind an einem außerhalb Bothas liegenden
unbesetzten Strand eine Kompagnie Seesoldaten,
die die schwache Abteilung in Botha zurückdrängten
und einen Hügel zwischen Botha und Victoria in
unmittelbarer Strandnähe besetzten. Die deutsche
Abteilung vor Victoria beschränkte sich darauf,
dem Feind ein Vordringen in Richtung Doniadi-
kombo zu verwehren, bis sie am 14. mittags ab-
berufen, mit Bahntransport nach Molyko befördert
und von dort auf Bonakanda in Marsch gesetzt
wurde.
Die wichtigste Aufgabe hatte die bei Tiko