432 Dritter Abschnitt: Die natürlichen Grundlagen d. Reiches. (Land u. Volk.) 8 9
grenzen bestimmt werden; dies gilt insbesondere von den Oberpostbezirken,
den Bezirken der Disziplinarkammern und der Berufsgenossenschaften, den
Armeekorpsbezirken, sowie von dem Rechte des Kaisers, :die Gar 1isonen der
Truppen zu bestimmen.
6. Das Reichsstrafgesetzbuch gestattet in einigen Fällen die Ausweisung
von Ausländern aus dem Bundesgebiete. Vgl. $ 39 Nr. 2, 284, 362.
Obwohl die Ausweisung von der Behörde des Einzelstaates verfügt wird,
erstreckt sie ihre Wirkung auf das ganze Bundesgebiet; es handelt sich also
hier um eine Anwendung der selbständigen Gebietshoheit des Reiches am
Bundesgebiet, die den Landespolizeibehörden zur Handhabung übertra-
gen ist }).
IV. Das Bundesgebiet als solches ist geschützt gegen hochverräterische
Unternehmungen durch die Strafanordnungen im $ 81 des StGB. Auch der
Kaiser geniesst gegen hochverräterische Mord-Unternehmungen und gegen
Beleidigungen im ganzen Bundesgebiet einen gleichmässigen strafgesetzlichen
Schutz, während die übrigen Bundesfürsten gegen dieselben Verbrechen nur
dann mit einem ebenso starken strafrechtlichen Schutz wie der eigene Landes-
herr des Täters umgeben sind, wenn die verbrecherische Tat in dem Gebiete
ihres Staates verübt worden ist. Strafgesetzb. $ 80. 94-97.
$9. Die Reichsangehörigen?) I Begriff. Die Ange-
hörigkeit zu einem Staate ist kein subjektives Recht, sondern ein Zustand,
ein persönlicher status wie Stand, Alter, Geschlecht, Zugehörigkeit zu einer
Kirche usw.; sie besteht in der Untertanenschaft zu einer bestimmten Staats-
gewalt. Dieser Zustand begründet aber insofern Pflichten und Rechte, als
er die Voraussetzung derselben ist. Die Herrschaftsrechte des Reiches über
die Staaten enthalten zugleich Herrschaftsrechte über die Angehörigen
dieser Staaten und ebenso erfüllt das Reich die Pflichten, welche es den Einzel-
1) Daher sind auch die Vorschriften zur Vollziehung der Ausweisung vom Bun-
desrat erlassen worden. Bekannt. vom 10. Dezemb. 18890 (Zentralbl. des D. Reichs
S. 378).
2)Landgraffin Hirths Annalen 1870 S. 625 ff. Riedel, Reichsverf. 8. 84 ff.
219ff. v. Martitz in Hirths Annalen 1875 8. 793 ff. 1113 ff. Seydel ebenda
1876 S. 135 ff., 1883 8. 577 ff., 1890 S. 90 ff. 173ff. Mandry, Civilr. Inh. der
Reichsgesetze $ 4. Reger, Kleinere Reichsverwaltungsges. 8. 16ff. Stoerk,
Staatsuntertanen und Fremde. In v. Holtzendorffs Handb. des Völkerrechts $ 113 ff.
(1887). Cahn, Reichsges. v. 1. Juni 1870 erläutert. 3. Aufl. 1908. Falcke, Ueber
gleichzeitige Staatsangehörigkeit in mehreren deutschen Bundesstaaten. Leipz. 1888.
Rehm, Der Erwerb von Staats- und Gemeindeangehörigkeit in geschichtlicher Ent-
wicklung. In Hirths Annalen 1892 8. 137ff. (Auch separat erschienen.) Hänel
1 8.353 ff. G. Meyer $7T5fg Jellinek, System der subjekt. öffentl. Rechte
(1905) S. 114 ff. Zornin v. Stengels Wörterb. des D. Verwaltungsrechts II S. 340 ff.
C. Sartorius, Der Einfluss des Familienstandes auf die Staatsangehörigkeit. (Ab-
druck aus deın Verwaltungsarchiv) Berlin 1899. Vgl. auch desselben Kommentar
zum Personenstandsgesetz. München 1902. Gierke, D. Privatr. 1856. Bazille
und Köstlin, Das Recht der Staatsangeh. mit besonderer Berücksichtigung Württem-
bergs. Stuttgart 1902. Daselbst eine Zusammenstellung der sehr umfangreichen Lite-
ratur. Nadelhoffer in Hirths Annalen 1906 8. 291 ff., 342ff. Sieber, Das
Staatsbürgerrecht in internationalen Verkehr. 2 Bde. Berlin 1907 (enthält eine Zusam-
menstellung der in den wichtigsten Staaten bestehenden Vorschriften über Erwerb und
Verlust des Staatsbürgerrechts. JIHauschild, Die Staatsangehörigkeit in den
Kolonien (Abhandlungen, herausgeg. von Zorn u. Stier-Somlo 11. 3). Tübingen 1906.
— Ausserdem gibt es zahlreiche Erörterungen de lege ferenda.