142 8 15. Die Pflichten der Reichsangehörigen.
und Militärgesetze erlassen hat, und dem Einzelstaat, welcher
diese Gesetze handhabt. Es ist daher unmöglich, die Pflichten einzeln
aufzuzählen, welche das Reichs bürgerrecht umfaßt und ihnen die-
jenigen gegenüber zu stellen, welche mit dem Staats bürgerrecht
verknüpft sind. Auch die Pflichten, die Reichssteuern zu entrichten
und die vom Reich angeordneten Heerdienste zu leisten, sind nicht
von den Hoheitsrechten des Einzelstaates losgelöst ') und in keinem
Falle erschöpfen sie die durch die Reichsangehörigkeit begründete
Untertanenpflicht?).
Der Staat legt die Gehorsamspflicht auch Fremden auf, welche
sich in seinem Gebiete aufhalten und den Schutz und die Wohlfahrts-
pflege des Staates mitgenießen, da auch sie der Herrschermacht des
Staates unterworfen sind (sogenannte subditi temporarii). Dieser Zu-
stand ist aber ein bloß faktischer, der lediglich auf der Tatsache
des Aufenthalts im Machtbereich des Staates beruht und mit dem Weg-
fall derselben von selbst aufhört. Auch bringt der Staat diese Macht
gegen Fremde nur in beschränktem Umfange zur Geltung; insbeson-
dere verlangt er von ihnen weder Militärdienste noch die Führung
von Amtsgeschäften oder andere öffentlich-rechtliche Funktionen.
1) Aus der Einheit des deutschen Heeres nach Art. 63 der Reichsverfassung er-
gibt sich aber, daß jeder Deutsche seinem Heimatsstaate gegenüber von der militä-
rischen Dienstpflicht frei wird, wenn er dieselbe in irgend einem Bundesstaate erfüllt
hat. Reichsverfassung Art. 3, Abs.5. Gesetz vom 9. November 1867, 817. Man nennt
dies „die militärische Freizügigkeit“. Siehe unten Bd. 4, $ 99, Il.
2) G. Meyer, Staatsrecht 8 224 ff. macht einen interessanten Versuch, die ein-
zelnen Verpflichtungen der Untertanen zu klassifizieren. Er unterscheidet die Pflicht
zum Gehorsam gegen die Gesetze, gegen die Entscheidungen der Gerichte und gegen
die Verfügungen der Verwaltungsbehörden, und er führt als „besondere Ausflüsse der
allgemeinen Gehorsamspflicht“ gewisse Leistungen auf, welche entweder Dienstlei-
stungen (Uebernahme gewisser Aemter, Gemeindedienste, Wehrpflicht) oder Sach-
leistungen (Steuern, Duldung der Enteignung, Naturalleistungen) sind. Was aber die
erste dieser Einteilungen anlangt, so betrifft sie nicht Arten der Untertanenpflichten,
sondern Arten (Formen) der staatlichen Befehle, während die zweite allerdings
eine Einteilung nach dem Objekt oder Inhalt der Leistung ist. Aber diese Pflichten
sind nicht in der Gehorsamspflicht als solcher enthalten, sondern haben außer
derselben zahlreiche besondere gesetzlich festgestellte Voraussetzungen. Die
Untertanenpflicht als solche verpflichtet nicht zu bestimmten Leistungen oder Unter-
lassungen, sondern besteht lediglich in der rechtlichen Gebundenheit,
einem nach Maßgabe der Gesetze ergangenen Befehl des Staates Folge leisten zu
müssen. Vgl. Seydel, Bayerisches Staatsrecht I, S. 285 und OÖ. Mayer, Verwal-
tungsr. I, S. 106. Daß die zweite Meyersche Klassifikation, die allein als Einteilung
der Pflichten in Betracht kommen kann, nicht erschöpfend ist, unterliegt keinem
Zweifel; man denke an das große Gebiet der Unterlassungspflichten, an die Pflichten
zu Handlungen (z. B. Meldungen), die Zeugenpflicht u. s. w. Dies erkennt Meyer
8 225, Note 1 jetzt auch selbst an. Einen ähnlichen, nur vollständigeren Katalog stellt
Gareis, Allgem. Staatsrecht $ 54fg. auf.