368 & 39. Begriff und System der Reichsbehörden.
daß der Kaiser die Reichsämter besetzt, und diese Regel ist verfassungs-
mäßig anerkannt durch den Satz des Art. 18 der Reichsverfassung:
»„der Kaiser ernennt die Reichsbeamten« ').
Begrifflich unerheblich ist es ferner, daß die Tätigkeit der Behörden
durch Gesetze und Verordnungen des Reiches geregelt wird. Denn
auch die Landesbehörden haben die Reichsgesetze zu handhaben und
können in ihrer amtlichen Tätigkeit durch die vom Reiche ergangenen
Vorschriften ebenso vollständig wie die Reichsbehörden gebunden sein;
während andererseits das Reichsgericht neben dem Reichsrecht auch
Gesetze der einzelnen Staaten anzuwenden hat. Im allgemeinen gilt
aber der Grundsatz, daß die Tätigkeit der Reichsbehörden nicht durch
die Autonomie der Einzelstaaten geregelt wird, wohl aber die Landes-
behörden derselben unterworfen sind.
Endlich ist es von Wichtigkeit, festzuhalten, daß Reichsbehörden
und Landesbehörden nicht in der Art Gegensätze sind, daß nicht eine
Behörde beides zugleich sein kann. Freilich nicht hinsichtlich des-
selben Geschäfts; ein Geschäft kann immer nur entweder ein Geschäft
des Reiches oder ein Geschäft des einzelnen Staates, nicht beides
zugleich sein. Aber es besteht kein Hindernis, daß nicht einer Behörde
eines Einzelstaates neben dem ihr übertragenen Kreise von Staats-
geschäften auch noch ein Kreis von Reichsgeschäften zugewiesen wird
und ihr die dazu erforderliche Reichsgewalt delegiert wird. Besonders
häufig tritt der Fall bei preußischen Staatsbehörden ein, daß sie
gleichzeitig Reichsbehörden sind?)
Dagegen ist für den Unterschied zwischen Reichsbehörden und
Landesbehörden entscheidend das Recht der Einzelstaaten auf Selbst-
verwaltung. Soweit dem Einzelstaate nach der Verfassung und den
Gesetzen des Reiches die Verwaltung als eigenes Recht zusteht, ist die
Führung dieser Verwaltung ein Geschäft des Einzelstaates, nicht des
Reiches, und die Ausstattung einer Behörde mit der zur Führung
dieser Geschäfte erforderlichen Amtsgewalt hat ihre Quelle in der
Staatsgewalt des Einzelstaates. Deshalb sind die Gerichte, die Zoll-
behörden, die Eichungsämter, Strandämter, Heimatsämter u. s. w.
Landesbehörden.
Aus demselben Grunde sind alle Militär verwaltungsbehörden
nicht Reichsbehörden, sondern Landesbehörden, und zwar nicht nur
in Bayern, sondern im ganzen Reiche. Denn die Reichsverfassung
überträgt zwar den Öberbefehl dem Kaiser, stattet das Reich mit der
uneingeschränkten Befugnis zur Militärgesetzgebung aus und macht
1) Man darf aber Reichsbeamte und Reichsbehörden nicht völlig identifizieren.
(Siehe unten $ 44.)
2) Die Oberrechnungskammer als Rechnungshof des Deutschen Reichs, die Haupt-
verwaltung der Staatsschulden als Reichsschuldenverwaltung, das Kriegsministerium,
früher das Generalauditoriat als Marinejustizbehörde, die Münze als Metalldepot des
Reichs u. s. w.