28 8 2. Die Gründung des Norddeutschen Bundes.
positive Grundlage der gesetzlichen Geltung? Die bloße Zerstörung
des Landesverfassungsrechts aller einzelnen Staaten kann ihr dieselbe
doch nicht bieten.
Hänel a.a.O. antwortet hierauf, indem er die Gründung des
Norddeutschen Bundes darauf zurückführt, »daß diejenigen Organe des
Wollens und Handelns, welche die mit dem Reichstag vereinbarte
Bundesverfassung vorgesehen hatte, in das Leben treten
mußten und der hiermit organisierte Bund die Bundesverfassung
als seine oberste rechtliche Willensbestimmung sich aneignen m u Bte«.
Dies ist aber ein offenbarer Zirkel und schließlieh nichts anderes als
eine schwach umhüllte generatio aequivoca. Denn einerseits soll die
Bundesverfassung bestimmen, welche »Organe in das Leben treten
müssen« und dann soll erst wieder der »hiermit organisierte«e Bund
sich die Bundesverfassung »aneignen«!).
Das logische Verhältnis wird von Hänel geradezu umgekehrt.
Die Einführung der norddeutschen Verfassung hat die Folge, daß
sie in jedem einzelnen deutschen Staate das damit in Widerspruch
stehende Landesrecht beseitige ?), aber die Aufhebung eines noch so
großen Bestandteiles des Landesrechts konnte niemals die Folge
haben, daß nunmehr die Bundesverfassung Geltung erlangte ’°).
Die richtige Auffassung ist wohl folgende: Die Form des Gesetzes
ist im modernen Staatsrecht nicht bloß dann anwendbar, wenn eine
Rechtsregel in einem Staat sanktioniert werden soll, sondern für jede
Willenserklärung des Staates, für welche die Uebereinstimmung des
Landesherrn und der Landesvertretung erforderlich ist. Das Wort
Gesetz hat eine doppelte Bedeutung, eine materielle und eine for-
melle. Das Gesetz im formellen Sinne ist eine Form der Willens-
erklärung des Staates, gleichviel worin ihr Inhalt besteht. Die
Gründung des Norddeutschen Bundes, der gleichzeitige Eintritt der
norddeutschen Staaten in denselben, kann nicht als die Aufstellung
einer »Rechtsregel« oder eines Komplexes von Rechtsregeln ange-
1) Hänel versucht im Staatsr. I, S. 32, Note 17 diesen Vorwurf damit zu ent-
kräften, daß er der „vereinbarten“ die „zur Geltung gelangte“ Verfassung gegenüber-
stellt; er vermag aber nicht zu erklären, wie diese Wandlung vor sichging;
er begnügt sich damit, in wiederholten Redewendungen zu versichern, „daß die
vereinbarte Verfassung zu einer Rechtsnorm erhoben werden mußte“. Brie, Theo-
rie der Staatenverbindungen (1886), S. 132, Note 2, erhebt das weitere Bedenken
gegen Hänels Deduktion, daß es eine formlose und insbesondere eine nur durch
konkludente Handlungen sich bekundende Gesetzgebung nicht gibt.
2) Die meisten Publikationspatente erwähnen diese Folge als selbst-
verständlich gar nicht; diejenigen, welche darauf hinweisen, nämlich die von Wei-
mar und Schwarzburg-Sondershausen, erklären, daß „durch diese Verfassung
die bestehenden Landesgesetze .... als abgeändert zu betrachten sind“.
3) Hänel hat in seinem Staatsrecht I, $3 die von ihm in den „Studien“ ent-
wickelte Konstruktion vollkommen reproduziert; auch hier erklärt er S. 24 die Ver-
änderung der Landesstaatsrechte für die Voraussetzung, nicht für die Folge,
des Inkrafttretens der Bundesverfassung.