8 48. Die Rechtsfolgen der Pflichtverletzung. 487
seinen Beamten nicht als gleichberechtigte Partei, sondern als Dienst-
herr gegenüber. Die privatrechtliche Klage würde ihm auch nichts
nützen, denn der Schaden, der ihm durch Nichterfüllung oder nicht
ordnungsmäßige Erfüllung erwächst, ist nur selten in Geld zu schätzen
und durch Leistung des pekuniären Interesses auszugleichen. Anderer-
seits ist der Staat auf seine Disziplinargewalt beschränkt; er hat keine
privatrechtliche Klage gegen seine Beamten auf Erfüllung der Dienst-
pflicht; es gibt keine Exekution, durch welche dieselben zur Leistung
ihrer amtlichen Dienste angehalten werden können !).
Also nicht statt der Ahndung von Verbrechen und Vergehen durch
die Strafjustiz tritt die Disziplinarstrafe ein, sondern sie steht an Stelle
der Kontraktsklage auf Leistung?. Die Regel ne bis in idem wird
nicht dadurch verletzt, daß die Disziplinargewalt neben der Ööffent-
lichen Bestrafung geltend gemacht wird, sondern sie würde dadurch
verletzt werden, wenn der Staat neben der Handhabung des Disziplinar-
zwanges noch eine vermögensrechtliche Kontraktsklage auf Erfüllung
der Amtspflichten hätte. Die Strafmittel der Disziplin bewegen sich
in dem Rahmen der durch das Dienstverhältnis begründeten Gewalt
und haben nichts gemein mit dem System der öffentlichen Strafen;
nur zufällig gehört die Geldstrafe beiden an. Die Verjährung der
Strafverfolgung berührt sich nicht mit dem Disziplinarzwang zur Pflicht-
erfüllung. Ferner ist der Tatbestand der sogenannten Disziplinarver-
gehen kein strafrechtlicher; es gibt kein erschöpfendes System und
keine spezifisch verschiedenen Arten der Disziplinarvergehen; man
kann keinen Katalog derselben aufstellen, wie ein Strafgesetzbuch die
Verbrechen und Vergehen mit abschließender Vollständigkeit aufzu-
zählen vermag, wenngleich man oft Versuche gemacht hat, dergleichen
aufzustellen, so wenig wie es ein System von privatrechtlichen Ver-
1) Von diesen Grundsätzen besteht in Deutschland lediglich in Mecklenburg
eine Ausnahme, welche durch die feudalen (patrimonialen) Elemente, die sich in der
Verfassung dieses Staates erhalten haben, begründet ist. In zahlreichen Fällen kön-
nen nach mecklenburgischem Recht die Obrigkeiten zur Erfüllung ihrer amtlichen
Pflichten durch ein in den Formen des Zivilprozesses sich bewegendes gerichtliches
Verfahren angehalten werden, welches auf Klage eines Fiskals eingeleitet wird. Das
Gericht entscheidet wie unter gleichstehenden Parteien in kontraktlichen Verhältnissen.
Soweit das fiskalische gerichtliche Prozeßverfahren stattfindet, ist aber das Diszi-
plinarverfahren gegen die Beamten ausgeschlossen und es wird
daher durch diese Ausnahme die juristische Natur des Disziplinarverfahrens und sein
Verhältnis zum Klagerecht des Privatrechts recht deutlich bestätigt. Vgl. darüber
Trotsche, Mecklenb. Zivilprozeß Bd. 2, S. 225 ff. (1868), und besonders die Motive
zur Reichsprozeßordnung von 1874, S. 487. In der Literatur findet sich ein Anklang
an die richtige juristische Begriffsbestimmung der Disziplinargewalt bei Pfeiffer,
Prakt. Ausf. III, S. 401 ff.
2) Auch v. Bar a. a. 0.S.357fg. erkennt an, daß das Disziplinarstrafrecht „eine
privatrechtliche Seite“ hat. Wenn er hinzufügt, daß diese Seite von mir zu
einseitig hervorgehoben worden sei, so will ich dies einräumen; es kam mir gerade
darauf an, der vor dem Erscheinen der ersten Auflage allgemein verbreiteten Ver-
mengung von Strafrecht und Disziplinargewalt entgegenzutreten.