Full text: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Zweiter Band. (2)

190 8 65. Die Formen der Verwaltungsakte. 
ihnen beliebt. Die Grundsätze des Obligationenrechts haben regel- 
mäßig den Charakter des ius dispositivum. Dies gilt prinzipiell auch 
von den Rechtsgeschäften, welche zum Zwecke der Staatsverwaltung 
geschlossen werden. Gerade an den unzähligen Verträgen, welche die 
Verwaltungsbehörden abzuschließen veranlaßt sind, wird es deutlich, 
daß die Verwaltungstätigkeit nicht Anwendung oder Vollziehung der 
Gesetze ist; der Staat schließt vielmehr diese Verträge mit derselben 
Handlungsfreiheit ab wie jedes andere Rechtssubjekt, und die Behörden 
welche zur Verwaltung der Staatsgeschäfte berufen sind, haben bei der 
Vereinbarung der Vertragsbedingungen der Regel nach keine andere 
Stellung, wie sie die geschäftsführenden Organe juristischer Personen 
(Korporationen, Stiftungen, Aktienvereine) überhaupt haben. Aus- 
nahmsweise aber kann der Inhalt der Verträge durch Gesetz so fest 
vorgeschrieben sein, daß die Verwaltungsbehörden die Verträge nach 
einer genau bestimmten Schablone abschließen müssen. Diese Aus- 
nahmen beruhen teils auf dem finanziellen Interesse des Staates, sind 
also durch den Anteil der Volksvertretung an der Ordnung der Staats- 
wirtschaft begründet, teils auf der Fürsorge für die Wohlfahrt des 
Volkes. Ein Beispiel für die Ausnahmen der ersten Klasse bieten die 
Anleihegesetze. In denselben kann nicht nur die Regierung zur Auf- 
nahme einer Anleihe in gewissem Betrage ermächtigt werden, sondern 
es kann zugleich vorgeschrieben werden, unter welchen Bedingungen 
das Geschäft geschlossen, wie die Anleihe aufgebracht, verzinst, getilgt 
werden soll. Ebenso kann ein Gesetz, welches die Regierung ermäch- 
tigt, eine Eisenbahn zu kaufen oder in eigenen Betrieb zu nehmen, 
die Bedingungen genau feststellen, welche in dem zu diesem Zwecke 
abzuschließenden Vertrage zu vereinbaren sind. Ein wichtiges Beispiel 
aus der Praxis des Reiches sind die Verträge mit Unternehmern wegen 
der Postdampfschiffahrtsverbindungen mit überseeischen Ländern, deren 
Hauptbedingungen durch die Reichsgesetze vom 6. April 1885 (Reichs- 
gesetzbl. S. 85), vom 1. Februar 1890 (Reichsgesetzbl. S. 19), vom 
25. Mai 1900 (Reichsgesetzbl. S. 239), 3. Juni 1908 (Reichsgesetzbl. S. 361), 
8. März 1909 (Reichsgesetzbl. S. 317) festgesetzt worden sind. 
Für die zweite Klasse von Ausnahmen bieten ein besonders an- 
schauliches Beispiel die Verkehrsanstalten. Es würde ganz unerträglich 
sein, wenn bei der Aufgabe jedes einzelnen Briefes die Bedingungen 
speziell verabredet werden müßten oder auch nur dürften, unter denen 
die Postanstalt die Beförderung desselben übernimmt. Diese in un- 
zähligen Fällen abzuschließenden Verträge müssen einen vollkommen 
stereotypen Inhalt haben. Nur istes allerdings möglich, daß die Ver- 
waltungsbehörden selbst diesen Inhalt allgemein feststellen, insbeson- 
dere auch den zu entrichtenden Gebührenbetrag fixieren. Dies ist 
gegenwärtig der Fall bei dem Geschäftsbetrieb der Telegraphenanstalt, 
der Eisenbahnen, mehreren Geschäftszweigen der Post usw. Es kann 
aber auch durch Gesetz der Inhalt dieser Verträge fixiert werden,
	        
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