482 $ 92. Die Zeugenpflicht.
eingetragen war; an Seeplätzen können Handelsrichter auch
aus dem Kreise der Schiffahrtskundigen ernannt werden!).
Ausgeschlossen sind außer den Personen, denen aus strafrecht-
lichen Gründen die Fähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Aemter fehlt,
diejenigen, welche infolge gerichtlicher Anordnung, in der Verfügung
über ihr Vermögen beschränkt sind ’?).
5. Der Grundsatz, daß die Ernennung der Richter auf Lebenszeit
erfolgt, findet auf Handelsrichter keine Anwendung; sie werden für
die Dauer von drei Jahren ernannt, können aber nach Ablauf dieser
Zeit wieder ernannt werden). Wenn ein Handelsrichter während
dieser Zeit eine derjenigen Eigenschaften verliert, von denen die Be-
fähigung zum Handelsrichteramt abhängig ist, so erfolgt seine Ent-
hebung vom Amte, falls er dieselbe nicht selbst bei dem Landesherrn
(oder Senat) beantragt, durch Richterspruch. Die Entscheidung erfolgt
nach Anhörung des Beteiligten durch den ersten Zivilsenat des Ober-
landesgerichts ?).
8 92. Die Zeugenpflicht*).
I. Die Verpflichtung, einer Behörde auf Erfordern eine Aussage
über das Wissen oder Nichtwissen von Tatsachen zu machen, kann
auf einem zweifachen Rechtsgrunde beruhen: auf Vertrag oder auf
Gesetz. Das ältere germanische Recht kannte nur die freiwillig
übernommene, vertragsmäßige Zeugenpflicht (testes rogati, tracti)?); erst
allmählich wurde die gesetzliche Verpflichtung zur Zeugnisablegung
für gewisse Fälle anerkannt und nach und nach in weiterem Umfang
durchgeführt ®).
Die vertragsmäßige Zeugenpflicht ist im wesentlichen eine Pflicht
gegen die Partei, wenngleich der Staat zur Erzwingung ihrer Er-
füllung behilflich ist; die gesetzliche Zeugenpflicht ist ihrer Natur nach
eine Pflicht gegen den Staat, und zwar auch dann, wenn sie nur
1) Ebendaselbst $ 114. 2) Ebendaselbst 8 113, Abs. 3.
3) Ebendaselbst $ 112. 4) Ebendaselbst $ 117.
*, Wahlberg in Grünhuts Zeitschrift Bd. 1 (1874), S. 171ff.; Dochow, Der
Zeugniszwang, Jena 1877; Fr. Oetker in Goltdammers Archiv Bd. 26, S. 113 £f.;
v. Schrutka-Rechtenstamm, Zeugnispflicht und Zeugniszwang im öster-
reichischen Zivilprozeß, Wien 1879; Geyer in v. Holtzendorffs Handbuch des Straf-
prozesses I, S. 268 ff., sowie dessen Lehrbuch des Strafprozeßrechts S. 510 ff.; v. Li-
lienthal in v. Holtzendorffs Rechtslexikon (3. Aufl.) Bd. 3, S. 1420 ff. Daselbst
S. 1432 ein Verzeichnis der Literatur. Ullmann, Lehrbuch des Strafprozeßrechts
S. 355 ff.
5) Ebenso das römische Recht vor Justinian für den Zivilprozeß; vgl. Wetzell,
Zivilprozeß 8 23, Note 38 (S. 214); v. Schrutkaa.a.0.S.33ff.
6) Eine nähere Darstellung dieser für die gesamte Rechtsgeschichte wichtigen
Entwicklung kann hier nicht gegeben werden. Vgl. Brunner, Deutsche Rechts-
geschichte Bd. 2, S. 391 ff. (1892); Schröder, Lehrbuch der deutschen Rechtsge-
schichte (5. Aufl. 1907) S. 87, 375.