Full text: Urkunden der Obersten Heeresleitung über ihre Tätigkeit 1916/18

Entgegnung der O. H. L. auf das Schreiben des Reichskanzlers vom 25. Juni 405 
  
  
den berufenen Organen immer wieder klar gemacht wird, um was es geht. 
Euer Exzellenz betonen sehr richtig, daß wir einem Helotendasein entgegen- 
gehen, wenn wir nachgeben, solange bei unseren Feinden noch keine 
Friedensneigung durchbricht. Anderseits halten Euer Exzellenz es aber 
für ausgeschlossen, daß unsere Feinde zum Frieden gezwungen werden 
könnten, und Euer Exzellenz erblicken die Lösung daher in einem Ver- 
ständigungsfrieden, der bis zum Herbst erfolgen muß, wenn Österreich- 
Ungarn bei der Stange gehalten werden soll. Zu diesem Zweck soll der 
Unterseebootkrieg zwar energisch fortgeführt, im übrigen aber alles ver- 
mieden werden, was den Entschluß Englands zur Anknüpfung von 
Friedensverhandlungen erschweren könnte. 
Ich glaube nicht, daß England zu einem Verständigungsfrieden bereit 
ist, solange es noch hoffen kann, daß Deutschland vor England zusammen- 
bricht. Am allerwenigsten wird es zu einem solchen Frieden bereit sein, 
wenn Österreich-Ungarn im Begriff ist abzufallen. Der Gewinn, den 
England aus einer Fortsetzung des Krieges bis zu Deutschlands Zusammen- 
bruch gegenüber einem Verständigungsfrieden ziehen kann, ist so un- 
geheuer, daß es die längere Kriegsdauer in gewohnter Energie und Ent- 
schlossenheit auf sich nehmen wird. Daran habe ich keinen Zweifel, und 
das beweist jedes Blatt der englischen Geschichte. Wohl aber wird England 
sofort zu einem „Verständigungsfrieden“ bereit sein, wenn es einsieht, daß 
der eigene Zusammenbruch früher als der deutsche erfolgt. Wir können 
sicher sein, daß jeder englische Friedensversuch der Beweis seiner nahenden 
Agonie ist. Es würde meines Erachtens ein Unheil für unsere staatliche 
und wirtschaftliche Zukunft bedeuten, wenn wir einen solchen englischen 
„Verständigungsfrieden“ annähmen, ohne daß wir durch einen Abfall 
Österreich-Ungarns und eine gleichzeitige eigene Agonie zum sofortigen 
Frieden gezwungen wären. Ein solches ungünstiges Zusammentreffen 
halte ich aber für äußerst unwahrscheinlich. Ich teile nicht Euer Exzellenz 
Ansicht, daß die Vorstellungen des Unterseebootkrieges als übertrieben er- 
kannt sind, daß alle auf statistischen Berechnungen gegründeten Voraus- 
setzungen sich als völlig unzuverlässig erwiesen haben und daß die Not- 
wendigkeit für England, Frieden zu schließen, in ganz 
weite Fernen gerückt ist“). Ich bleibe vielmehr auf dem in meinem Schreiben 
vom 19. 6. 1917 II Nr. 58 049 op. klargelegten Standpunkt stehen. 
Wann der Augenblick gekommen sein wird, an welchem das Gewebe 
der gesamten Kriegswirtschaft unserer Feinde zerreißt, kann man nicht mit 
Bestimmtheit voraussagen, daß er aber in absehbarer Zeit kommt, ist mir 
sicher. 
)) Wie die Stimmung in England damals tatsächlich war, ist uns erst nach Abschluß 
des Waffenstillstandes bekannt geworden. Der Verfasser. 
  
26“
	        
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