Full text: Geheime Mächte - Internationale Spionage und ihre Bekämpfung im Weltkrieg und heute.

Auf den Kriegsschauplätzen 121 
sprechungen mit Bürgermeistern und Vertrauenspersonen. Wenn diese 
ganze Tätigkeit sich auch unter den Augen beaufsichtigender deutscher 
Offiziere abspielte, so ist es doch klar, daß die Fremden viel sahen und 
hörten, über das sie, nach Holland zurückgekehrt, zu schweigen keine 
Plicht hatten. 
Die Kirche und andere Kultuseinrichtungen, sowie die Geistlichen, 
waren durch eine gewisse Scheu der deutschen Behörden mehr geschützt, 
als dies im Interesse der Spionageabwehr nötig gewesen wäre. Dies 
wurde von den Einwohnern sehr bald erkannt und ausgenutzt. Mehrfach 
waren die Kirchen der Sammelpunkt deutschfeindlicher Unternehmungen. 
Daß Geistliche sich unmittelbar an der Spionage beteiligten, wurde bei 
Aufdeckung der großen Spionageorganisationen in Belgien in mehreren 
Fällen festgestellt. Aber auch in Nordfrankreich machte sich die Spionage 
die kirchlichen Einrichtungen zunutze. Die Seelsorge wurde mißbraucht. 
Das erzbischöfliche Palais in Cambrai besonders stand in dem Verdacht, 
eine Spionagezentrale zu sein. Einzelne Fälle wurden auch in Frankreich 
aufgedeckt. So wurden bei einem deutschen Armee-Oberkommando ge- 
heime Karten mit Einzeichnung der Verteilung der deutschen Truppen 
gestohlen. Der Dieb brachte sie bei einem Geistlichen in Sicherheit und 
dieser übermittelte sie dem feindlichen Nachrichtendienst. Die einzige 
geheimgehaltene drahtlose Station, die auf dem westlichen Kriegsschau- 
platz entdeckt wurde, befand sich bei einem Geistlichen in Flandern, der 
sie durch ein junges Mädchen bedienen ließ, ohne daß allerdings festge- 
stellt werden konnte, daß die Verwendung Spionagezwecken gedient hätte. 
Weil das geistliche Gewand so wirksamen Schutz verlieh, so wurde es 
auch unbefugterweise von Spionen angelegt. Schon beim Vormarsch 
meldete der Abwehrdienst, daß ein französischer Geistlicher bei Ausübung 
der Spionage von den deutschen Truppen ergriffen worden sei. Am 
nächsten Tage aber wurde die Meldung dahin richtiggestellt, daß der 
Spion ein von den Franzosen zurückgelassener Infanteriekapitän war. 
Es wurde dadurch festgestellt, daß er unter der Soutane am Halse ein 
Medaillon mit dem Bilde seiner Frau und seines Töchterchens trug. 
Diese dem Bericht beigefügten Gegenstände erweckten gleich zu Beginn 
des Krieges den Begriff für den Opfersinn auch in der Spionage auf 
französischer Seite. 
Selbsiverständlich boten sich bei der langen Besetzungszeit auch Landes- 
einwohner in Belgien, aber nicht in Frankreich, als Spione an.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.