14 Geschichtliche Entwicklung
Mit dem Hinzutritt des englischen erschloß sich dem rein kontinen-
talen, militärisch-politischen, russisch-französischen, ein weltwirtschaft-
licher Nachrichtendienst. England übernahm, wie in der Entente über-
haupt, auch im Nachrichtendienst die Führung. Durch Frankreich und
Rußland der militärischen Sorge voraussichtlich überhoben, beschränkte
es sich auch fernerhin im wesentlichen auf die wirtschaftliche Vorberei-
tung des Weltkrieges und betätigte seine Führerschaft durch die politische
Propaganda, in der es der Lehrmeister seiner Verbündeten und auch
Amerikas wurde.
Amerika hatte vor dem Weltkrieg im allgemeinen nur der Seerüstung
der Großmächte des Kontinents Interesse geschenkt. In bezug auf die
deutsche Landmacht konnte es ihm genäügen, die Fortschritte dieser besten,
aber nicht größten Armee Europas zu kennen. Es konnte sich deshalb
auf große Gesichtspunkte und die amtliche Berichterstattung, der Deutsch-
land freiwillig weitgehenden Einblick gewährte, beschränken und auf die
Feinarbeit der Spionage verzichten. Vor allem aber fehlte dem ameri-
kanischen Nachrichtendienst vor dem Kriege der Antrieb feindseliger Ge-
sinnung gegen Deutschland, die den Nachrichtendienst Englands, Frank-
reichs und Rußlands beseelte.
Mit dieser Entwicklung waren für Deutschland die Zeiten des rein
militärischen Entscheidungskampfes und auch die Feiten endgültig vorbei,
in denen ein militärischer Nachrichtendienst zur Vorbereitung und Durch-
führung eines Krieges genügen konnte. Neben Heer und Politik war
Technik, Industrie und Wissenschaft getreten. Im inneren Leben der
Staaten entstanden neue soziale Probleme, die für den Nachrichtendienst
sowohl Gegenstand der Erkundung wie auch der Beeinflussung wurden.
Der Weltkrieg brachte den Beweis, daß der Kampf zwischen den
Völkern aus dem engen Rahmen der Waffenentscheidung hinaus-
gewachsen und zu einem Ringen der gesamten Volkskraft auf politischem
wirtschaftlichem, militärischem und nicht zuletzt auf dem Gebiete der
Volksseele geworden war. An Stelle des militärischen trat ein Nach-
richtendienst des Staates gegen das ihn umgebende Ausland schlecht-
hin. Er erstreckte sich auf alles, was den einen Staat dem anderen
überlegen machen konnte, gleichmäßig auf Wirtschaft, Politik und Wehr-
macht. Er begnügte sich nicht mehr mit der rein negativen Tätigkeit der
Erkundung, sondern ging zum positiven Handeln im Wirtschaftskampf
und in der Propaganda innen= und außenpolitischer Art über.