182 Rückblick und Ausblick
würden zurückkehren können, wenn wir uns jetzt im militärischen Kampf
nicht behaupteten. Der Vizekanzler meinte, daß sei eben Ansichtssache,
es schiene ihm, daß wir beide dasselbe wollten, nur auf verschiedenem
Wege.
Aber gerade wenn heutzutage noch bestimmte Kreise an den Weg
der Völkerversöhnung glauben, sollen sie dafür sorgen, daß dieser Weg
durch einen guten Nachrichtendienst erleuchtet ist auf die Gefahr hin,
daß damit die eignen Illusionen verschwinden.
Der Nachrichtendienst ist wie ein Barometer, das die Spannung unter
den Staaten anzeigt. Bis zum Kriege, im Kriege und zunächst auch noch
nach dem Kriege stand er auf Sturm für Deutschland. Je gründlicher
der Nachrichtendienst aber hier seine Aufgabe gelöst hat und je mehr
gerade die Siegerstaaten wieder untereinander in wirtschaftliche, po-
litische und darum auch in militärische Konkurrenz treten, desto mehr
wird sich ihr Nachrichtendienst, durch die Kriegserfahrung auf eine bisher
unerreichte Höhe gebracht, auch gegen die bisherigen Freunde richten.
Und dies besonders, wenn die Idee vom Völkerfrieden jemals praktische
Fortschritte machen sollte. Gerade dann wird es darauf ankommen, durch
den Nachrichtendienst festzustellen, wie weit die anderen mit der Ab-
rüstung ernst machen. Der Nachrichtendienst wird durch die Abrüstung
bestimmt nicht betroffen, denn seine positive Seite, die Propaganda,
würde anstelle des militärischen mehr noch als jetzt das Kampfmittel
der Politik. Somit steht in jedem Fall der Nachrichtendienst an der
Schwelle neuer Aufgaben. Es geht nicht mehr an, ihn mit dem Wort
„Spionage“ verächtlich abzutun. Darüber darf auch nicht hinweg-
täuschen, daß er offiziell abgeleugnet werden wird oder daß wenig von
ihm gesprochen wird.
„Krieg im Frieden“, das ist die beste Kennzeichnung der augenblick-
lichen Rolle des Nachrichtendienstes im Wettstreit der Völker. Je mehr
künftige Kriege nur zwischen großen Staaten zum Austrag kommen, die
sich an die für schwache Staaten geltende Fesseln eines Völkerbundes
nicht kehren, je größere Zeiträume die Vorbereitungen des Krieges bean-
spruchen, je entscheidender der Ausgang künftiger Kriege für alle Völker,
je gerüsteter in jeder Beziehung sie daher an den Krieg herangehen
müssen, je weniger die großen Lasten militärischer Rüstung dauernd ge-
tragen werden können, je mehr der Fortschritt der Technik dem einen
überraschend das Ubergewicht über den andern geben kann, desto weniger