38 Kriegsvorbereitung
mitteln können, wenn nicht Henry dem Unterhändler jedesmal die Rede
abgeschnitten hätte, sobald er auf den wirklichen Täter hinweisen wollte.
Um die Schuld von Dreyfus nachdrücklicher zu beweisen, ließ Henry
ein Schriftstück fabrizieren, das als „faux Panizzardi“ bekannt geworden
ist. Panizzardi war der italienische Militärattaché in Paris. Aus älteren
Briefen desselben wurde einer zusammengestellt und in diesem Dreyfus
genau bezeichnet.
Dieses Falschstück wurde gegen Picquart verwendet. Er mußte seinen
Verdacht gegen Esterhazy dadurch büßen, daß er aus dem Generalstab
versetzt wurde und ein Bataillon in Tunis bekam, nachdem er vorher
schon auf zeitraubende Reisen an die Grenze und nach dem Süden
geschickt worden war. Bevor er nach Afrika ging, setzte er sich mit
dem Advokaten Leblois in Verbindung, um einen Menschen in den
wahren Sachverhalt einzuweihen, für den Fall, daß ihm in Tunis
etwas zustoßen sollte.
Dieser, sowie der Senator Scheurer-Kestner und Mathien Dreyfus,
ein Bruder des Verurteilten, interessierten sich nunmehr für die An-
gelegenheit. Letzterer beschuldigte öffentlich Esterhazy als Täter. Gegen
diesen wurde im November 1897 ein Verfahren eingeleitet, er wurde
aber im Januar 1898 freigesprochen, nachdem der Vorsitzende des
Gerichtshofes erklärt hatte, der Fall Dreyfus sei endgültig erledigt
und es sei nur die Frage zu prüfen gewesen, ob etwa Esterhazy auch
ein Verräter sei.
Jetzt folgte Jolas „J’accuse“. Es führte zu einem Gerichtsverfahren
gegen Jola. Aus seiner Schrift wurde nur der eine Satz zur Anklage
gestellt, „daß Esterhazy auf Befehl freigesprochen worden sei“. Heury
trat als Zeuge auf. Jola wurde verurteilt.
Das entstandene Aufsehen veranlaßte den Kriegsminister, den Major
Cuignet mit der Prüfung der Akten und Geheimdokumente zu beauf-
tragen. Dieser stellte die Fälschung des vorerwähnten, von Henry her-
gestellten „faux Panizzardi“ fest, was nicht besonders schwer war, weil
die Schriftstücke, aus welchen das angebliche Beweisstück zusammen-
gesetzt war, auf verschiedenen Papiersorten geschrieben waren, was
einer ernsten Prüfung schon früher nicht hätte entgehen können. Am
30. August 1898 wurde Henry vom Kriegsminister Cavagnac selbst
verhört, am nächsten Tage machte er seinem Leben ein Ende. Csterhazy
flüchtete nach England.