IV
Kriegsnachrichtendienst in den neutralen Ländern
Der Aufmarsch der Heere und die ersten Operationen im Weltkriege
erfolgten auf Grund der im Frieden geleisteten Vorarbeiten. Die deutsche
Mobilmachung und der Aufmarsch des deutschen Heeres vollzog sich
so planmäßig, daß der preußische Kriegsminister, General von Falken-
hayn, äußerte, er könne eigentlich auf Urlaub gehen. Der Nachrichten-
dienst hatte für alle Kriegführenden zunächst verhältnismäßig geringe
Bedeutung. Denn der Aufmarsch moderner Massenheere kann nicht ab-
hängig gemacht werden von in letzter Stunde eingehenden Nachrichten.
Erst die Erstarrung der Fronten und die Gewißheit, daß der Weltkrieg
Jahre umspannen werde, brachte den Nachrichtendienst wieder zu Ehren.
Auf den Kriegsschauplätzen setzte eine Spionage ein, die ihrer charak-
teristischen Eigenart wegen in einem besonderen Abschnitt später be-
trachtet werden soll. Nach anderen Grundsätzen verfuhr der große
internationale Nachrichtendienst, dem der Weg durch die ausgedehnten
Kampffronten versperrt wurde, der sich deshalb über die zwischen den
Kriegführenden liegenden neutralen Länder zusammendrängte. Zunächst
klaffte in dem um Deutschland und Osterreich-Ungarn gezogenen Ring
noch eine breite Lücke im Süden. Aber auch sie wurde geschlossen, als
Rumänien, Bulgarien und Italien in den Krieg eintraten und ein fort-
laufender, undurchdringlicher Wall sich nicht nur vom Kanal bis zu
den Alpen, von der Ostsee bis zum Schwarzen Meer, sondern auch im
Süden von Saloniki über Tirol bis an die Schweizer Grenzen auf-
türmte. Innerhalb dieses Walles lagen die Mittelmächte, umgeben
vom Feindbund, dessen Nacheichtendienst konzentrisch nach der Mitte
des Kreises arbeitete. Der deutsche Generalstab verfügte über einen
Nachrichtendienst gegen Rußland und Frankreich, der österreichische gegen
Rußland und Italien, der bulgarische gegen die benachbarten Balkan-
staaten und gegen die Türkei. Die Aufklärung gegen die stärksten
der Feinde, gegen Frankreich, England, und späterhin Amerika, fiel