66 Kriegsnachrichtendienst in den neutralen Ländern
bindung mit einer Vermittelungsstelle in Mastricht zu halten. Bewies
diese Handlungsweise an sich schon achtunggebietende Vaterlandsliebe
und persönlichen Mut, so war auch das Auftreten dieses Offiziers vor
dem deutschen Kriegsgericht so mannhaft und tapfer, daß seine Richter
in kameradschaftlicher Anerkennung über ihn nicht die Todesstrafe aus-
sprachen, die er nach dem Gesetz verdient hatte. Im übrigen aber war
der belgische Nachrichtendienst vor dem Kriege zu wenig entwickelt und
zu wenig selbständig, als daß er in dem Gedränge der Spionage in
Holland eine eigene Rolle hätte spielen können. Er ging fast ganz im
französischen Nachrichtendienst auf.
Dieser kämpfte von Holland aus mit zwei Fronten. Einmal gegen
Belgien und durch dieses in dem Rücken des deutschen Heeres nach
Frankreich und zweitens gegen Deutschland. Es ist ohne weiteres klar,
daß Frankreich die Spionage nach Deutschland auf dem in jeder Be-
ziehung leichteren Wege über die nahe gelegene, benachbarte Schweiz
der über das entfernte und nur über England erreichbare Holland vor-
zog. Die Spionage nach dem Kriegsschauplatz stand deshalb im Vorder-
grund der französischen Spionage in Holland. Sie wird später in sich
betrachtet werden, wobei sich ergeben wird, daß die englische und fran-
zösische Frontspionage neben den einer Ausbeutung Hollands dienenden
und nach Deutschland hinein arbeitenden Organisationen über ihre
eigenen Hilfskräfte in Holland verfügte.
Die Nähe des Kriegsschauplatzes machte Holland zu einem Sammel-
punkt für deutsche Fahnenflüchtige und ermöglichte es dem feindlichen
Nachrichtendienst, durch Ausfragung die wichtigsten Nachrichten zu er-
halten. Längs der ganzen holländischen und holländisch-belgischen Grenze
bestanden unter englischer Leitung Ausfragestellen. In den von den
holländischen Behörden errichteten Internierungslagern wurden Ver-
trauensleute unterhalten, die die Ausfragung der Fahnenflüchtigen fort-
setzten und auch ihren Verbleib feststellten, wenn sie aus den Inter-
nierungslagern entlassen wurden, damit die geeigneten unter ihnen zur
Rückkehr auf den Kriegsschauplatz oder für Spionagereisen nach Deutsch-
land gewonnen und instruiert werden konnten. Diese Nachrichtenquelle
war militärisch wohl die ergiebigste in Holland. Das neutrale Land im
Rücken bildete eine große Gefahr für die deutsche Kriegführung. Für.
die Entente bestand eine solche Gefahr nicht.
Obgleich weit ab vom Heimatlande, war die Organisation des russi-