Full text: Geheime Mächte - Internationale Spionage und ihre Bekämpfung im Weltkrieg und heute.

88 Auf den Kriegsschauplätzen 
dann aber ihre Zustimmung unter der Bedingung, daß Lenin und seinen 
Begleitern auf der Fahrt durch Deutschland nicht Gelegenheit zu Agi- 
tation gegeben werden dürfe. Ihre Mitwirkung bei diesem Vorgang 
beschränkte sich dementsprechend darauf, daß Organe des deutschen 
Abwehrdienstes den Abschluß Lenins in Deutschland übernahmen und 
seinen Zug durch Deutschland begleiteten. 
Sein Eintreffen in Rußland traf damit zusammen, daß das Volk 
allmählich wieder ernüchtert war und auch im Heere sich Stimmen er- 
hoben, warum trotz Beseitigung der Zarenregierung noch Krieg geführt 
würde, warum keine Friedensschritte unternommen würden, nachdem 
auch der Deutsche nicht mehr angreife, warum auch der Russe weiter 
Krieg führen solle, wenn die Entente dieses für sich tun wolle. 
Mit der Märzrevolution war der russische Nachrichtendienst als solcher 
als gegenrevolutionäre Behörde zunächst abgeschafft worden. An seine 
Stelle war die Propaganda der geschilderten Art getreten. Diese brachte 
den Nachrichtendienst in vielfache Beziehung zur russischen Front. Die 
täglichen Verhandlungen von Front zu Front veranlaßten, daß keine 
Veränderung auf russischer Seite den Deutschen verborgen blieb. In- 
folgedessen traf sie auch die Kerenski-Offensive nicht unvorbereitet. 
Die militärische Handlung unterbrach die Propaganda. Sie wurde 
erst Anfang September 1917 wieder möglich. Die mißglückte Offen- 
sive hatte aber die alte Parole auf die unbedingte Fortsetzung des Krieges 
ihrer Wirksamkeit beraubt. An der russischen Front war zu spüren, wie 
die bolschewistische Propaganda, welche die gegenteilige Propaganda 
vom Frieden vertrat, Boden gewann. In dieser Richtung setzte auch eine 
vom deutschen Nachrichtendienst betriebene Propaganda ein. Da für 
beide Seiten das gleiche Jiel verfolgt wurde, so fiel die Propaganda 
vielfach zusammen. Es setzte an vielen Stellen eine Verbrüderung zwi- 
schen deutschen und russischen Truppen ein. Es war deutschen Nach- 
richtenoffizieren möglich, in die russischen Reihen zu gelangen und dort 
für den Frieden zwischen Rußland und Deutschland zu werben. Sie 
fanden bei den Truppen begeisterte Aufnahme und wurden auf den 
Schultern durch Schützengräben und Lager getragen. 
Nach dem bolschewistischen Umsturz im November entstand eine neue 
Lage. Der militärische Kampf war tatsächlich zu Ende. Aber die deutsche 
Front mußte im Osten gehalten werden, um den Bolschewismus von 
den Grenzen Deutschlands fernzuhalten. Und auf russischer Seite ging
	        
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