96 Auf den Kriegsschauplätzen
der gerichtlichen Verurteilung zuzuführen, im Jahre 1913 waren es
bereits 34, im Jahre 1914 bis zum Ausbruch des Krieges 36. Weil
Rußland in den Nationalitäten willige Helfer fand, so zeigte sich in
seiner Spionage immer die Bildung ganzer Gruppen, von denen einzelne
bis zu 20 Agenten umfaßten. Das russische Spionagenetz war in der
ganzen Monarchie über die Karpathen bis in die Tiroler Berge und
die Hochflächen von Bosnien ausgedehnt. Alle größeren Städte waren
mit Agenten besetzt, seit einem Menschenalter mußten fast alle in Wien
beglaubigten russischen Militärattachés aus Gründen entdeckter Spio-
nagetätigkeit ihren Posten verlassen. Der Oberst Martschenko, der im
Jahre 1910 als Militärattaché fortgehen mußte, hatte unter anderen
einen österreichischen Heeresangehörigen in seinen Diensten, der bereits
über 20 Jahre Spionage für Rußland betrieben hatte. Der Oberst
Sankiewicz, der 1913 abgelöst wurde, war besonders durch seine Ver-
bindung zu einem Oberleutnant auf der Kriegsschule, zu einem anderen
Offizier und weiteren Militärpersonen kompromittiert worden. Neben
den russischen Militärattachss waren die russischen Konsulate rührige
Spionagezentren. Auch Popen und anderem Gesandtschaftspersonal war
eine Teilnahme an der Spionage nachgewiesen worden. In Ostgalizien
leisteten die stammverwandten Ruthenen der russischen Spionage mit
Begeisterung Dienste. Geistliche, Abgeordnete, Advokaten und Richter
förderten sie. Die ruthenischen Schulen und Vereine waren Sammel-
punkte für die allslavische und großserbische Propaganda und boten
den Agenten Unterschlupf.
Russische Agitatoren bereisten aber nicht nur Galizien, sondern auch
die übrigen slavischen Gebiete der Monarchie, und prominente Persön-
lichkeiten aus diesen stellten in Moskau und Petersburg ihre Dienste
zur Verfügung. Es waren dieselben, die auch im Kriege die Arbeit der
revolutionären Komitees unterstützten, die Kriegsanleihen sabotierten
und den Militärdienst für Osterreich als unwürdig hinstellten. 140
Todesurteile mußten allein über russische Agenten im Innern des Lan-
des während der ersten beiden Kriegsjahre verhängt werden. Auch po-
litische Führer, wie Kramarsch und Raschin wurden zum Tode ver-
urteilt, aber durch die Amnestie begnadigt.
Trotz seiner Jugehsrigkeit zum Dreibund trieb Italien eine ausge-
dehnte Spionage gegen Osterreich-Ungarn. Bis zum Jahre 1902 hatte
sich diese fast ausschließlich gegen Frankreich gerichtet. Von diesem Jahre