Full text: Geschichte des Königreichs Sachsen mit besonderer Berücksichtigung der wichtigsten culturgeschichtlichen Erscheinungen.

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trug ein langes weißes Kleid, das mit gelben Bändchen eingefaßt und 
mit schwarzen Kreuzchen besetzt war. Oeffentlich predigte er, daß 
Gott ihn nach Dresden gesandt habe, um den Kurfürsten vor dem 
Gifte der reformirten Lehre zu warnen. Als er genöthigt wurde, 
Dresden zu verlassen, kündigte er der Stadt Gottes Zorn und Straf— 
gericht an. 
Ueberhaupt wurde damals fast jedes Unglück als eine Strafe 
Gottes betrachtet, während doch Gott nach der deutlichen Lehre der 
Schrift über seine Menschenkinder auch Prüfungen verhängt, die Ver— 
trauen und Ergebung, Geduld und Erfahrung wirken sollen. An 
Unglücksfällen und an schweren Zeiten fehlte es gerade damals 
nicht. Namentlich wüthete die Pest (S. 161) in den Jahren von 
1550 bis 1600 oft furchtbar in Sachsen; ebenso fehlte es nicht an 
theuren Zeiten und an der bittersten Hungersnoth, die damals um so 
empfindlicher wurde, da man die wohlthätige Kartoffel noch nicht 
kannte. So mußte man z. B. in den Jahren 1570 bis 1573 Kleie 
und Eicheln mit zu Brot verwenden. Im Jahre 1590 regnete es 
38 Wochen hindurch fast gar nicht, so daß die Dürre dergestalt über- 
hand nahm, daß allgemeiner Mangel an Mahlwasser eintrat und daß 
man das Getreide kochen mußte, um nur wenigstens das Leben zu 
fristen. Aus Mangel an Futter verhungerte das Vieh im Stalle, und 
das Wild in Wald und Feld verschmachtete. Im September desselben 
Jahres erfüllte die Bewohner der Gegend um Dresden, Freiberg und 
Leipzig ein neuer Schrecken. Es stellten sich nämlich so bedeutende 
Erdbeben ein, daß die Glocken auf den Kirchthürmen anschlugen. 
Am Schlusse des 16. Jahrhunderts hatten sich viele Verhältnisse 
ganz umgestaltet. Namentlich waren die Lebensmittel bedeutend im 
Preise gestiegen. Bitter beklagte man sich, wenn man den Scheffel 
(50 Liter) Korn mit zwei Thalern (6 Mark) bezahlen mußte. Ebenso 
hatten sich die Preise für Kleidungsstücke, für Holz, namentlich für 
Fleisch gänzlich verändert. Natürlich erfuhren auch die Arbeitslöhne, 
die Forderungen der Handwerker und der Dienstboten eine bedeutende 
Erhöhung, so daß die Klagen über hohe Preise allgemein vernommen 
wurden. 
Dessenungeachtet konnte man sich damals schwer entschließen, sich 
bei besonderen Festlichkeiten, z. B. bei Hochzeiten, Kindtaufen, Kir- 
messen rc. einzuschränken. Bei Hochzeiten adeliger Personen stellten 
sich oft Hunderte von berittenen Gästen ein und 30 bis 40 Tische 
waren beim Gastmahl besetzt. Einen ähnlichen Aufwand fand man 
auch bei den Bürgern, namentlich bei den wohlhabenderen, so daß 
dieser Verschwendung wiederholt durch Gesetze gesteuert werden mußte. 
Freilich herrschte damals auch an dem Hofe mancher Kurfürsten ein 
Aufwand, wie er jetzt bei unserm Königshause bei der feierlichsten 
Veranlassung nicht im entferntesten zu treffen ist. Bei der Hochzeits-
	        
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