Full text: Geschichte des Königreichs Sachsen mit besonderer Berücksichtigung der wichtigsten culturgeschichtlichen Erscheinungen.

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Dieser Mangel an Vieh war ein allgemeiner. Da fehlte es an 
Zugvieh zur Bestellung der Felder. Der größte Theil der Aecker 
blieb brach liegen, und hatte man ja einmal einen kärglichen Ernte— 
segen erzielt, so mußte man die Garben auf Schiebböcken einfahren. 
An Schlachtvieh war fast gar nicht mehr zu denken. So konnte man 
z. B. in Dresden im Jahre 1643 in den Fleischbänken acht Wochen 
lang selbst für schweres Geld nicht 1 Loth (17 Gramm) Fleisch 
erhalten. Hungersnoth quälte die armen Menschen oft so entsetzlich, 
daß Hunde, Katzen und Mäuse als Leckerbissen von den Heißhungrigen 
verschlungen wurden; ja nicht selten sah man abgemagerte Menschen— 
gestalten sogar an Leichen herumnagen! Die Getreidepreise hatten, 
namentlich im Jahre 1639, eine so ungeheure Höhe erstiegen, daß 
der Scheffel (50 Liter) Korn mit 9, 10, ja sogar mit 11 Thalern 
(27, 30 und 33 Mark) bezahlt werden mußte, eine Summe, die 
damals fast nicht zu erschwingen war, da die Einquartierungskosten 
und die ungeheuren Kriegssteuern die armen Menschen gänzlich aus- 
sogen. Kinder zogen elternlos im Lande umher und schrieen nach Brot. 
Wie der Ackerbau, die Gewerbe und Künste in Verfall geriethen, 
so stockte auch der Handel gänzlich. Die Leipziger Messe mußte 
mehreremal verschoben werden und 1641 erschienen in Leipzig weder 
Käufer, noch Verkäufer, obgleich Torstenson den Handelsreisenden 
Schutz und Sicherheit zugesagt hatte. 
Zu diesen Uebeln gesellte sich ganz von selbst ein noch weit 
größeres. In solch einem entsetzlichen Kriege schwieg Gesetz und 
Ordnung. Der Kirchen= und Schulbesuch gerieth in Verfall. Auf 
dem Lande schwieg der Unterricht oft Jahre lang. Die Fürstenschulen 
blieben Monate lang geschlossen, und die Universität Leipzig zählte 
einmal so wenig Studenten, daß von 18 Freitischen nur noch 6 besetzt 
waren. Die Menschen verwilderten an Seele und Leib, sie zogen im 
Lande umher und verfielen auf Raub und Diebstahl. Ein Zeit- 
genosse dieses verderblichen Krieges schildert das Elend mit folgenden 
Worten: „Ihr wisset, wie die Lebendigen sich unter einander in Kellern 
und Winkeln zerrissen, todtgeschlagen und gegessen haben; daß Eltern 
ihre todten Kinder und Kinder ihre todten Eltern gegessen, daß viele 
um einen todten Hund oder Katze gebettelt und das Aas aus den 
Schindergruben genommen und verzehrt haben."“ 
Dieses schreckliche Bild stellt uns zwar den traurigen Zustand 
in ganz Deutschland dar, es findet aber ganz besonders auf unser 
Sachsenland seine Anwendung, da dasselbe unter jener furchtbaren 
Kriegsgeißel am empfindlichsten blutete. Der dreißigjährige Krieg 
wird in der Geschichte unsers Vaterlandes für immer die Zeit des 
größten Unglückes, der Noth und des Verderbens bleiben, womit 
dasselbe heimgesucht wurde.
	        
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