Full text: Geschichte des Königreichs Sachsen mit besonderer Berücksichtigung der wichtigsten culturgeschichtlichen Erscheinungen.

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Solch ein Fest veranstaltete er an oben genanntem Tage dem englischen 
Gesandten. Des Kurfürsten Page, Heinrich Karl v. Grunau, hatte 
sich den Wein zu gut schmecken lassen und wußte nicht recht, was er 
vornahm. Er taumelte nach einer Schießscharte hinter der Christians- 
burg, kroch hinaus und legte sich auf einen schmalen, kaum eine Elle 
breiten Felsenrand, von welchem ihn eine kleine Wendung in den fürch- 
terlichsten Abgrund gestürzt haben würde; doch er lag im festen Schlafe. 
Als der Kurfürst sich zur Ruhe begeben wollte und seines Pagen 
bedurfte, suchte man ihn vergebens. Endlich bemerkte den Schläfer 
eine Schildwache, welche in dem Glauben, daß, wer so lange ruhig gelegen 
habe, auch noch länger also liegen werde, ganz gelassen dem Offiziere 
hiervon Meldung machte. Dieser sendete sogleich seinen Burschen, 
einen kräftigen Wenden, an die gefährliche Stelle, welcher den Schläfer 
beim Rockzipfel festhalten mußte, während der Offizier in der Burg 
Lärm machte. Man weckte den Kurprinzen und dieser den Kurfürsten, 
so daß der nicht lange entschlummerte Hof wieder lebendig war. Der 
Kurfürst gebot nun Stille in der Nähe des Schläfers und ließ Seile 
um ihn werfen, wobei der Kurfürst und der Kurprinz selbst mit Hand 
ans Werk legten. Nachdem alle Gefahr beseitigt war, ließ der Kur- 
fürst Trompeten und Pauken bringen und einen Tusch blasen. Als- 
bald erwachte der Schläfer langsam und meinend, er sei im Tanz- 
saale eingenickt, rief er mit halboffenen Augen: „Schönberg, ich komme 
gleich!“ welcher Herr v. Schönberg mit ihm als Kammerpage Dienst 
gehabt hatte. Als er aber unter fortwährendem Trompeten= und 
Paukenlärm die Augen ganz öffnete, den Himmel über sich, den Ab- 
grund unter sich, den Kurfürsten und die übrigen Zuschauer erblickte, 
und sich am ganzen Körper gefesselt fühlte, stammelte er die Worte 
hervor: „Kurfürstliche Durchlaucht! Kurfürstliche Durchlaucht!“ 
Endlich, nachdem man ihn lange genug „zappeln“ gelassen und sich 
satt gelacht hatte, zog man ihn, wie einen geschnürten Koffer durch 
die Schießscharte herein und befreite ihn von seinen Rettungsbanden. 
„Da hob der Page fast sehr zu weinen an, warf sich seinem Herrn 
zu Füßen, bat ihn um Verzeihung, daß er über den Durst getrunken 
habe und versprach, hinfort durch die Kammerthüren, aber nicht durch 
Schießscharten schlafen zu gehen.“ Der Kurfürst befahl, die Stelle 
Pagenbette zu nennen. 
Unter Johann Georg III. erfuhr Grunau als Kammerjunker 
eine zweite merkwürdige Lebensrettung. Als er über die Dresdner 
Elbbrücke ritt, wurde das Pferd scheu und setzte mit dem Reiter über 
das steinerne Geländer’) in die Elbe, aus welcher er ohne allen 
Schaden sich glücklich ans Ufer rettete. · 
*) Das jetzige schöne Eisengeländer erhielt die Brücke unter August 
dem Starken.
	        
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