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Weit über Sachsens Grenzen hinaus drang Silbermanns Ruf.
Selbst Petersburg und Kopenhagen bemühten sich, den berühmten
Mann den Ihrigen nennen zu können. Von allen Seiten empfing er
Aufträge.') Unter den 47 Orgeln, die er für Sachsen lieferte,
zeichnet sich besonders die Domorgel zu Freiberg ihrer Stärke wegen
aus. Auch Dresden erfreut sich dreier großer Orgeln dieses Meisters;
die erste erbaute er für die Sophien= und evangelische Hofkirche, die
zweite für die Frauenkirche"*) und die dritte für die katholische Hof-
kirche. Dieses Kunstwerk, für welches er 60 000 M. erhielt?“*), war
das letzte seiner großartigen Schöpfungen.
Ebenso vollendet wie Silbermanns Orgeln waren auch die von
ihm erbauten Klaviere und Pianoforte. Letztere, eine Erfindung des
jungen Schröter (Seite 270), erhielten durch Silbermann eine wesent-
liche Vervollkommnung. Wie gesucht und geschätzt auch diese von ihm
gebauten Instrumente waren, beweist z. B. der Umstand, daß Friedrich
der Große allein sieben Silbermann'sche Pianoforte besaß, von denen
jedes 2100 M. kostete. — Der berühmte Künstler endete in Dresden
sein thätiges und ruhmvolles Leben im Jahre 1753.
Durch Silbermann hatte Sachsen, wie erwähnt, 47 vorzügliche
Orgeln erhalten. Dieses kunstreiche Instrument kann aber nur dann
in seiner Größe und Erhabenheit erscheinen, wenn es von einem
geschickten, kunstgeübten Organisten gespielt wird. Im vorigen Jahr-
hunderte wirkte in Leipzig an der Thomasschule als Kantor und
Musikdirektor ein Mann, welcher mit zu den größten und berühm-
testen Organisten aller Zeiten gehört. Dieser Mann war Johann
Sebastian Bach. Gebürtig war er aus Eisenach, wo er (den
21. März) 1685 das Licht der Welt erblickte. Seinen Vater, der
als Organist in Eisenach wirkte, verlor er frühzeitig, weshalb sein
alterer Bruder, ebenfalls Organist, dem jungen Sebastian den ersten
Unterricht in der Musik ertheilte. So gründlich derselbe auch war,
so wachte doch der ältere Bruder ängstlich darüber, daß der junge,
höchst talentvolle Schüler in seiner Kunst nicht zu weit fortschreite,
fürchtend, der Schüler möchte den Lehrer sonst überflügeln.
Ein Genie wie Sebastian Bach weiß sich aber trotz aller Hinder-
nisse Bahn zu brechen. Des Nachts verließ der junge Mensch in aller
) Daß er Aufträge von Straßburg erhalten und daß er namentlich
die weltberühmte Orgel im Münster daselbst, deren größte Pfeife über 14 Eimer
Wasser faßt, gebaut habe, wie man oft liest, ist nicht richtig, wohl aber
baute er während seines Aufenthaltes in Straßburg zwei Orgeln, und zwar
eine für die Nicolai= und eine für die Peterskirche daselbst. Jene Orgel ist
das Werk des älteren Silbermann.
**) Die hier und da zu lesende Angabe, daß diese Orgel 6000 Pfeifen
enthalte, ist falsch.
**) Ueberdies kostete das Gehäuse noch 8700 Mark.