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Fast ganz Sachsen befand sich in Friedrichs Händen. An Wider-
stand war nicht zu denken, da bei diesem unerwarteten Ueberfall in
aller Eile nur ein Heer von 17000 Mann zusammengebracht werden
konnte. Dieses mußte ein befestigtes Lager zwischen Pirna und
Königstein beziehen, um hier der Dinge zu warten, die sich weiter
entwickeln würden. Obgleich sich unsere Truppen nur auf höchstens
vierzehn Tage mit Mundvorrath hatten versehen können, so waren sie
doch frohen Muthes, bot ihnen doch ihr Lager hinreichenden Schutz
und konnten sie auf den Zuzug der Oesterreicher aus Böhmen her
hoffen.
Preußens König sah es ungern, daß sich die Sachsen nicht nach
Böhmen zurückzogen und sich mit den Oesterreichern vereinigten.
Einem schnellen Ueberfall hätte das noch schwache österreichische Heer
kaum widerstehen können. Nun aber mußte Friedrich das sächsische
Heer im Auge behalten und mittlerweile gewannen die Oesterreicher
Zeit, ihre Streitkräfte zusammenzuziehen. Diesem aber wollte Friedrich
in jedem Falle vorbeugen. Er theilte deshalb sein Heer. Die eine
Armee blieb zur Beobachtung der Sachsen zurück, mit der andern
brach er in Böhmen ein. Am 1. Oktober 1756 kam es bei Lowositz
zur Schlacht, in welcher die Oesterreicher nach hartnäckigem Wider-
stande geschlagen wurden. Schrecken erfüllte die Gemüther der
Dresdner, als ihnen von 30 reitenden Postillonen die Siegesnachricht
verkündet wurde. Für unser bedrängtes Heer war die Niederlage
der Oesterreicher ebenfalls ein furchtbarer Schlag.
Unerwartet bemerkte man in ihrem Lager ein reges Leben.
Man traf nämlich Anstalten, dasselbe auf das jenseitige Ufer und
zwar an den Fuß des Liliensteins zu verlegen. Da trat ihnen aber
eine mächtige Feindin entgegen, und dies war stürmische Witterung,
wodurch der Uebergang um zwei Tage verzögert wurde. Diesen Umstand
machten sich die Preußen zu Nutze und besetzten eiligst jene Gegend.
Vergeblich harrten die Sachsen der Oesterreicher, welche, obgleich
geschlagen, zu ihrer Hilfe bis Schandau vorgedrungen waren, die
aber in der letzten Zeit eine nähere Kunde von der sächsischen Armee
gar nicht erreicht hatte. Die Lage unserer Truppen war die ver-
zweiflungsvollste, die man sich denken kann. Gequält von Hunger,
erstarrt von Kälte und Nässe, abgemattet von Strapazen, entmuthigt
wegen ausgebliebener Hilfe war bei ihnen an einen ferneren Wider-
stand nicht zu denken. Am 15. Oktober ergab sich unser Heer, das
bis auf 14 000 Mann zusammengeschmolzen war, den Preußen.
Bei Ebenheit am Fuße des Liliensteins streckten unsere Truppen
die Waffen im Angesichte des Kurfürsten, welcher auf dem König-
steine mit blutendem Herzen ein Zeuge dieses ergreifenden Vorganges
war. Viele unserer Landsleute hatten in den letzten Tagen keinen
Bissen Brot zu sehen bekommen und glichen deshalb wahren Jammer-