Full text: Geschichte des Königreichs Sachsen mit besonderer Berücksichtigung der wichtigsten culturgeschichtlichen Erscheinungen.

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könne. Da ihm nicht entging, daß Rußland mit Polen ganz andere 
Pläne im Sinne hatte, so wurde ihm jene Vermuthung zur Wahr- 
scheinlichkeit, ja zur Gewißheit. Der innere Kampf war bald bestanden. 
Friedrich August lehnte die ihm angebotene Königskrone ab. 
Wie weise diese Selbstbeherrschung war, lehrt die Folgezeit. 
Das unglückliche Polen! Bald sollte es aus der Reihe der europäischen 
Staaten verschwinden. Seine Nachbarn hatten seinen Untergang be- 
schlossen. Rußland, Preußen und Oesterreich fielen über das Land 
her, rissen (1772) Theile von ihm los und wiederholten dies ohne 
Weiteres noch zweimal (1793 und 1795). Mit dem Jahre 1795 
schloß Polens Geschichte der Hauptsache nach für immer. 
Hätte sich die polnische Nation früher, vielleicht unter August 
dem Starken, entschließen können, ein erbliches Königreich zu errichten, 
sicherlich würde sie dann den Untergang ihres großen Reiches nicht 
zu beklagen gehabt haben. 
Welche Gewalt das Beispiel auszuüben im Stande ist, werden 
uns diejenigen Ereignisse in Sachsen zeigen, welche unter dem Namen: 
Bauernunruhen bekannt sind. Wollen wir ihre Veranlassung richtig 
beurtheilen, so müssen wir uns zunächst nach dem oft so glücklich 
gepriesenen Frankreich wenden. In diesem Lande bereitete sich un- 
gefähr von 1720 an, namentlich unter der Regierung Ludwigs X7V., 
eine gänzliche Zerrüttung aller Staats= und aller Familienverhältnisse 
vor, die endlich einen furchtbaren Ausgang nehmen mußte. Mit jedem 
Tage wuchs die Schuldenlast des Landes. Der Bürger= und Bauern- 
stand seufzte unter dem schweren Druck des Adels und der hohen 
katholischen Geistlichkeit. Fast aus allen Familien der höheren Stände 
schwand jede Spur von Gottesfurcht, und Laster aller Art griffen 
wie eine Pest um sich. 
Ludwig XVI., welcher 1774 den Thron bestieg, ein edler 
Fürst, erkannte zwar die großen Schäden des Landes und hatte 
auch den redlichsten Willen, ihnen abzuhelfen, er war aber einer so 
großen Aufgabe nicht gewachsen. Ihm fehlte ein eiserner Wille, um, 
wie es zu dieser unglücklichen Zeit nöthig war, ohne Ansehen der 
Person den Parteien entgegenzutreten und die vielen Vorrechte des 
Adels und der hohen Geistlichkeit zu beschränken. Im Jahre 1789 
lösten sich alle Bande der Ordnung, eine furchtbare Revolution brach 
aus, die fast alle Verhältnisse in Frankreich umstürzte. 
Diese Vorgänge übten auf andere Länder, und auch auf unser 
Sachsen, einen gewaltigen Einfluß aus. Gab denn aber Friedrich 
Augusts gerechte Regierung Veranlassung zur Unzufriedenheit? 
Gegen die Person des Kurfürsten erhob man sich nicht. Von seinem 
redlichen Willen, des Landes Wohl zu fördern, war man einstimmig 
überzeugt; dennoch hatte man verschiedene Wünsche auf dem Herzen, 
deren Erfüllung man in ziemlich stürmischer Weise verlangte.
	        
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