Full text: Geschichte des Königreichs Sachsen mit besonderer Berücksichtigung der wichtigsten culturgeschichtlichen Erscheinungen.

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Damals war der Bauernstand von den Rittergutsbesitzern noch 
sehr abhängig. Er hatte drückende Frohndienste zu verrichten, allerlei 
Lieferungen zu leisten 2c., während der Rittergutsbesitzer auf dem 
Grund und Boden des Bauern das Jagd= und Schafhutungsrecht 
ausübte. Daß dabei manche Härten und Ungerechtigkeiten mit unter- 
liefen, läßt sich nicht leugnen. Wollte der Bauer Klage erheben, so 
fand er damals nicht so leicht Gehör, als jetzt. Viele Ritterguts- 
besitzer waren zugleich auch Gerichtsherren und hatten als solche das 
Recht, den Gerichtshalter selbst zu wählen. Hier und da mochte es 
nun wohl vorkommen, daß sich diese kein Gewissen daraus machten, 
die Rechte der Rittergutsbesitzer mehr zu wahren, als die der Bauern. 
Gewiß klagten viele von diesen nicht ohne Grund über ungebührliche 
Behandlung seitens der Gerichtshalter. 
Dies alles zusammengenommen erregte unter dem Bauernstande 
die größte Unzufriedenheit, welche sich immer mehr steigerte, da man 
ja allgemein wußte, daß nach des Kurfürsten Willen selbst dem 
geringsten seiner Unterthanen Gerechtigkeit widerfahren solle. Zu- 
nächst stellte sich im Juli 1790 ein gewisser Geißler aus Liebstadt 
an die Spitze der unzufriedenen Bauern jener Gegend und beabsich- 
tigte mit 17 bis 18 000 Menschen in Pillnitz zu erscheinen. Von 
hier aus sollte der Kurfürst im Triumphe mit fliegenden Fahnen nach 
Dresden geführt und ihm alsdann acht Wünsche zur Unterschrift und 
Erfüllung vorgelegt werden. Dieser beabsichtigte Triumphzug kam 
nicht zu Stande. Geißler ward in Pirna gefangen genommen und 
von den Aerzten für geisteskrank erklärt. In Folge dessen sah man 
natürlich von seiner Bestrafung ab und brachte ihn in einer Ver- 
sorgungsanstalt unter. Jene Wünsche fanden im Laufe der Zeit ihre 
vollständige Erledigung. Geißlers Unternehmen wurde sonach im 
Keime erstickt und die Gemüther beruhigten sich wieder. 
Einen Monat später brachen aber unter den Bauern in der Lom- 
matzscher und Oschatzer Gegend bedenkliche Unruhen aus. Massenhaft 
rotteten sich die Unzufriedenen zusammen, drangen in die Schlösser der 
Rittergutsbesitzer, kündigten diesen die Frohndienste auf und zwangen 
sie, auf gewisse Vorrechte, z. B. auf das eben erwähnte Jagd= und 
Hutungsrecht 2c. Verzicht zu leisten. Sehr bald erstreckten sich diese 
Bewegungen auch auf andere Gegenden; namentlich betheiligten sich 
die Bauern in den schönburgischen Receßherrschaften an denselben. 
Auf dem Wege der Gewalt sich seiner Pflichten zu entledigen 
und anderen seine Rechte zu nehmen, kann in einem wohlgeordneten 
Staate nicht geduldet werden. Es wurden deshalb Truppen gegen 
die Aufrührerischen ausgesendet und Verordnungen von den Kanzeln 
verlesen, in welchen von der Theilnahme an diesen Gewaltmaßregeln 
gewarnt, zugleich auch versichert wurde, daß der Kurfürst billigen 
Wünschen seiner Unterthanen Gehör schenken und wirkliche Uebelstände
	        
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