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Meine Kollegen im Ministerium, die früher in voller
ülebereinstimmung mit mir gearbeitet hatten, machten mir
mehr oder minder offen und je länger je mehr eine Opposition,
die nur in dem Glauben an höhere Deckung wurzeln konnte.
Außerdem aber sah ich im Innern, namentlich jedoch im aus-
wärtigen Dienst überall die unrechten Männer an den un-
rechten Platz gestellt. Das vornehmlich war der Grund der
Schlaflosigkeit meiner Nächte und meiner Sorgen in den letzten
Zeiten, da ich noch im Amte war, wie auch seither nach
meinem Ausscheiden.“
Bismarck entwickelte dann weiter seine Meinungsver-
schiedenheiten mit dem Kaiser in inneren Fragen. „Erst
bei meiner Rückkehr nach Berlin (24. Januar 1890) habe
ich von der Mehrzahl dieser meist tiefgehenden Meinungsver-
schiedenheiten Kenntnis erlangt und daraus auch sofort die
Einsicht gewonnen, wie gut die unverantwortlichen Ratgeber
des jungen Herrn, die meine lange Abwesenheit von Berlin
benutzt hatten, zu welcher ich unfreiwillig, nur durch die stete
Mahnung seitens eben dieser Ratgeber, ich möchte doch ja
nur für meine Gesundheit sorgen, veranlaßt wurde. Diese
Erkenntnis erlangte ich schon in dem Kronrat, der am Tage
meiner Rückkehr nach Berlin unter Vorsitz des Kaisers ab-
gehalten wurde, und in welchem Herr von Bötticher zu meinem
namenlosem Erstaunen plötzlich die kaiserlichen Erlasse über
den Arbeiterschutz usw. vorlegte, die später am 4. Februar
ohne meine Gegenzeichnung auch wirklich verkündet wurden.
Diese Erlasse, durch welche der Kaiser mit der Sozialdemokratie
ganz allein fertig zu werden hoffte, verrieten auch, warum der-
selbe, im Gegensatz zu mir, keinen Wert mehr auf das Fort-
bestehen des Sozialistengesetzes legte, das dann — vornehm-
lich durch die Schuld der Konservativen — in der Reichs-
tagssitzung vom 25. Januar auch in der Tat zu Fall ge-
bracht wurde.