Full text: Königlich-Baierisches Regierungsblatt. 1809. (4)

275 
all in Berbindung mit den Studien- 
schulen eigene Realschulen als be- 
sondere Anstalten einrichten zu lassen, derer ei- 
gentlichste Bestimmung es also ist, den 
einer Kunst oder höheren Gewerbs- 
art sich widmenden Bürgern einen 
ihrem Berufs= und Bildungs-Bedürfnisse 
angemessenen Unterricht zu ertheilen. 
Die Vereinigung der Realschulen 
mit den Studienschulen, und die Stel- 
lung, welche denselben im Verhältniß zu 
den Primärschulen gegeben worden, 
scheint aber über deren eigentliche Bestimmung 
Mißverständnisse veranlaße zu haben, welche 
durch eine nähere Erörterung der Beziehung, 
in der die Realschulen zu den Primarschulen 
stehen, zu heben sind. 
a) Die Realschule sezt die Primärschule 
nicht nothwendig voraus. Dieß ist schon 
dadurch ausgesprochen, daß als Bedin- 
gung der Aufnahme in die Realschule 
nicht die Kenntnisse der Primärschule, son- 
dern die Kenntnisse der Volksschule 
gesodert, und der unmittelbare Uebergang 
aus der Volkeschule in die Realschule ge- 
stattet worden, so daß die Realschule 
zunächst nur als gesteigerte Volks- 
schule erscheint. — Dem ungeachter ist aus 
mehr, als Einem Grunde wohl zu erwarten, 
daß die Realschule in der Regel ihre gründ- 
licher vorbereiteten Schüler aus der Primär= 
schule erhalten werde, obgleich diese leztere 
keine besondere Rücksicht auf Realunterricht 
nimmt, sondern ihren Unterricht vielmehr 
nach ihrer Haupebestimmung für das gelehrte 
Studium zu richten hat. 
276 
b) Ausser diesem allgemeinen Grunde, 
welchem zufolge der Primaͤrschule die Stel- 
lung als Vorbereitungs= Anstalt auch zu- 
gleich für die Realschule gegeben werden 
mußte, finden sich noch mehrere überwie- 
gende Gründe für diese Anordnung. 
1) Doe die Realschule, in ihrer Eigenschaft 
als gesteigerte Volksschule, den Unterricht in 
alten Sprachen nicht aufnehmen kann; dieser 
auch für Schüler, die nicht dem eigentlich gelehr- 
ten Seudium gewidmet sind, in dem Alter, 
in welchem sie gemeiniglich in die Realschule 
eintreten, meistentheils mehr störend als for- 
derlich ist; auf der anderen Seite aber nicht nur 
manche Aeltern aus alter Observanz noch 
immer wünschen, daß ihre Kinder wenigstens 
etwas Latein erlernen, sondern es auch in 
der That für manche Zweige des Kunst= und 
Gewerbs-Berufes immer vorzüglich wün- 
schenowürdig bleiben wird, daß die dazu sich Be- 
stimmenden mit der lateinischen Sprache nicht 
ganz unbekannt senen: so ist für alle Realschü- 
ler, welche diese Absicht haben, die Primär= 
schule zur Vorbereitung nicht wohl entbehrlich. 
2) Da in dem Alter, in welchem 
ein Kind zuerst zur Schule Feschickt 
wird, über seine Tauglichkeit zum Studieren 
bei weitem nicht immer mit Zuverlässigkeit 
entschieden werden kann; die Bestimmung 
zum Studieren aber nicht nur von den Ael- 
tern, die diesen Plan mit ihren Kindern ha- 
ben, meistens so frühe schon entschieden wird, 
sondern in der That auch, wenn der zum 
Studieren erfoderliche Stufengang des Un- 
terrichtes gehörig eingehalten werden soll, so 
frühe schon entschieden werden muß; manche
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.