Nr. 23. 1918. 173
R. Für die Wiederimpflinge und ihre Angehörigen.
§ 1. Die Pocken sind eine gefährliche und in hohem Grade ansteckende Krankheit.
In früheren Jahren, bevor die Impfung allgemein eingeführt war, sind alljährlich
Tausende von Menschen im Deutschen Reiche an dieser Seuche gestorben; viele der dem
Pockentod Entronnenen sind zeitlebens durch die Blatternnarben entstellt geblieben.
Wenn heutzutage die Pocken der Bevölkerung eine fast unbekannte Krankheit geworden
sind, so ist dies der durch das Reichsimpfgesetz überall eingeführten Impfung zu ver-
dänken. Fast immer bleiben Personen, welche mit Erfolg geimpft oder wiedergeimpft
sind, von den Pocken verschont oder werden nur leicht von dieser Krankheit befallen.
Der Impfschutz hält allerdings nicht zeitlebens an; durchschnittlich rechnet man mit
einer Schutzdauer von 10 Jahren. Es muß daher die erste Impfung nach Ablauf dieser
Frist wiederholt werden. Zur Impfung wird nur vollkommen unschädlicher Impfstoff
verwendet, der von gesunden Tieren entnommen und durch sorgfältige Untersuchung
als einwandfrei befunden worden ist.
Sowohl vor als auch nach der Impfung sind die nachstehenden Verhaltungs-
vorschriften zu beobachten. Werden sie genau befolgt, so ist nicht zu befürchten, daß
Kinder nach der Impfung erkranken.
§ 2. Aus einem Hause, in welchem übertragbare Krankheiten, wie Diphtherie,
Fleckfieber, übertragbare Genickstarre, Keuchhusten, spinale Kinderlähmung, Masern,
natürliche Pocken (Blattern), rosenartige Entzündungen, Scharlach oder Typhus herr-
schen, dürfen Wiederimpflinge zum allgemeinen Termine nicht kommen.
§ 3. Die Kinder sollen im Impftermine mit reiner Haut, reiner Wäsche und in
sauberen Kleidern erscheinen.
§ 4. Auch nach dem Impfen muß der Wiederimpfling peinlich sauber gehalten
werden.
§ 5. Die Entwicklung der Impfpusteln tritt am 3. oder 4. Tage ein und ist für
gewöhnlich mit so. geringen Beschwerden im Allgemeinbefinden verbunden, daß eine
Versäumnis des Schulunterrichts deshalb nicht notwendig ist. Stellen sich größere
Röte und Anschwellungen der Impfstellen ein, so ist ein Arzt zuzuziehen. Die Kinder
können das gewohnte Baden fortsetzen. Das Turnen ist vom 3. bis 12. Tage von allen,
bei denen sich Impfblattern bilden, auszusetzen. Jede unnötige Berührung der Impf=
stellen ist zu vermeiden; insbesondere sind die Impfstellen sorgfältig vor Beschmutzung,
Kratzen und Stoß sowie vor Reibungen durch enge Kleidung und vor Druck von außen
zu hüten. Die Impfstellen sind kühl und trocken zu halten; ein reiner, nichtwollener
Hemdärmel ist die zweckmäßigste Bedeckung. Der Verkehr mit solchen Personen, die an
eiternden Geschwüren, Hautausschlägen oder Wundrose, insbesondere an Gesichts= oder
Kopfrose leiden, und die Benutzung der von ihnen gebrauchten Gegenstände ist zu
vermeiden.
3§6. Die Pflegepersonen der Wiederimpflinge müssen sich peinlich davor hüten,
die Impfstellen zufällig oder absichtlich zu berühren oder die in den Impfpusteln ent-
haltene Flüssigkeit auf wunde oder mit Ausschlag behaftete Hautstellen oder in die
Augen zu bringen. Haben sie die Impfstellen trotzdem berührt, so sollen sie nicht unter-
lassen, sich sogleich die Hände sorgfältig mit Seife zu waschen. Das dazu verwendete
Waschwasser darf nicht von anderen Personen benutzt werden.
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