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in der Art, daß die Chefs und resp. depu-
tirte Mitglieder derselben mit dem frühern
Referenten bey Unserm Collegium und mit
dem ehrerbietigst unterzeichneten Kanzlar sich
zu einigen gemeinschaftlichen Situngen ver-
einigten, worauf der Gesehzeentwurf selbst
noch unter ihnen circulirte, wie die Bl. 83—
86. und 104—114. unserer Akten eingehef-
teten Protokolle und Abstimmungen belegen.
Erlauben Ew. K. H. nunmehr, daß
wir die Haupt-Motive des Gesetzesentwurfs
in moglichster Kürze ehrerbietigst darlegen.
An der Spitze der Erklrungöschrift des
getreuen Landtags v. roten Febr. 1870. Bl.
73. der Regierungs-Akten, steht der preis-
würdige Grundsat:
„Daß die Gerechtigkeit vom Staa-
te die Versorgung der Wittwen
und Waisen seiner Diener ver-
lange.“
Aus der folgerechten Entwickelung dieses
inhaltsreichen Grundsatzes fließt von selbst,
1) daß ein Institut, welches dieser An-
forderung der Gerechtigkeit an den
Staat Genüge leisten soll, nothwendig
als Staatsanstalt begrüundet, aus
Staatémitteln gescchert werden müsse;
2) daß es auf festen, gesehlichen Regeln,
mit gänzlichem Ausschluß jeder Privat-
Willkühr beruhen und sich
3) von allem, was ihm dem Charakter ei-
ner freywilligen Societät, eines specu-
lativen Vereins auf Gewinn oder Verlust,
geben würde, durchaus entfernt halten
musse.
Ueberdies hat die Erfahrung in fast al-
len deutschen Staaten längst gelehrt, daß
jede blos auf Societäts-Verhältnisse, auf
künstliche Berechnungen der Beytrags= und
Sterbiichkeitsverhältnisse, gebaute Wittwen-
kasse ihren Zweck verfehlt und meist schon bey
shrer Entstehung den unheilbaren Keim des
frühern oder spätern Berderbens in sich
trägt. ·
Daher denn auch das uns von Ew. K.
H. fruͤher zum Vorbild empfohlene Her—
zogl. Gotha- Altenburgische Wittwen-In—
stitut seine jetzige Sicherheit nur dem Um—
stande verdankt, daß man im Jahre 1791.
noch zu rechter Zeit die ursprünglich Socie-
täts-maßige Einrichtung verließ und ihm all-
mählig den Charakter einer nothwendi-
gen Staatsanstalt gab.
Gleichen Charakter tragen alle, neuerer
Jeit in Baiern, Wurtemberg, Baden, Darm-
stadt, Nassau 2c. gegründeten Dienerwitt-
wen-Anstalten; nirgends ist derselbe aber
reiner und folgerechter durchgeführt, und je-
ner Anforderung der Gerechtigkeit an den
Staat, für die Wittwen und Waisen seiner
Diener zu sorgn, vollständiger genügt wor-
den, als un der K. Bajerschen Staatsdiener-
Pragmatik, deren Grundsätze wir schon vor
zwei Jahren in dem ausführlichen Aufsatze
Bl. 41—62. unserer Abten näher erörtert
haben, und welche die Wittwen = und Wai-
sen= Pension geradezu
„als einen nothwendigen Ergänzungs-
theil der unter allen Bedin-
gungen unzulänglich bleibenden
Dienstgehalte“
anerkennt und ausspricht.
Die patriotischen Gesinnungen und Erklé-
rungen des getreuen Landtags schließen, bey
unumwundener Anerkennung jenes obersten
Grimdsahes der Gerechtigkeit, die Gewähr
der zu dessen Ausführung als nothwendig
nachzuweisenden Mittel bereits in sich. Nur
einen „Beytrag“ wollen die getreuen
Stände von den Staatedienern, nach Maas-
gabe ihres Diensteinkommens zu der Witt-
wenbasse geleistet wissen, „als eine Erleichte-
rung für den Staat“ bey Erfüllung seiner,
den Forderungen der Gerechtigkeit entspre-
chenden Obliegenheit.