Beylage zu No. 15. des Regierungs-Blatts. 35
Beylage XX.
Entwurf
eines neuen Huth= und Triftgesetzes.
A.
Allgemeine Vorschriften.
1) Es bleiben alle und jede wohlherge-
brachte und rechtsgültig erworbene Triftge-
rechtsame, nach Ort, Zeit, Stückzahl und
Art des Viehes u. s. w., die hergebrachten
Vorhuthen nicht ausgeschlossen, in soferne
sie durch die weitern Bestimmungen dieses
Gesetzes nicht ausdrücklich beschränkt oder
aufgehoben werden, ferner in der bisherigen
Maaße fortbestehen, vorbehältlich jedoch,
daß künftige Gesetze, Verträge oder Veriäh=
rung etwas anderes vorschrelben und fest-
seben können.
2) Eben so behält es bey allen und je-
den, auf rechtsgültigem Grunde beruhenden,
Beschränkungen der Grundbesitzer sowohl
einzelner Güther als Gemeinheiten, in An-
sehung des Triftrechtes und der Triftaus-
abung auf den eignen Grundstücken und in
den eignen Fluren, nach Ort, Zeit, Art
und Zahl des Triftviehes, in soferne die
solgenden Bestimmungen dieses Geseses nicht
ein Anderes verordnen oder nachlassen, so
lange allenthalben sein Bewenden, als nicht
durch künstige Gesetze, durch Vertrag oder
Verjährung ein anderer Zustand begründet
wird.
3) In Zaͤllen, wo ungezaͤhlte Schaͤfe-
reyen statt finden, soll sowohl bey den Trift-
berechtigten als auch den Triftleidenden als
Regel festgesetzt seyn:
„daß kein Theil außerhalb seines Trift=
„sprengels Schaafe zur Hüthung aufneh-
„men dürfe.“
4) Concurrirt der Eigenthümer des Gu-
thes oder die Gemeinde des Orts mit einem
oder mehreren Triftberechtigten in dem Be-
hüthungsrechte, so sind sämmtliche Berech-
tigte ihre Triftgerechtsame in der gültig
hergebrachten Maahe nach Stückzahl, Zeit
u. s. f. unverkürzt auszulben befugt, ohne
daß, falls auch mit Grund zu behaupten
stünde, daß für Alle nicht genugsame Wei-
de vorhanden sey, der Triftberechtigte dem
Eigenthümer, oder der Leßtere dem Erstern,
nachzustehen genöthigt werden kann.
Nur durch freywillige Uebereinkanft al-
ler Betheiligten kann eine dem Vorrath von
Weide angemessene Eiurichtung und Modi-
fication der wohlhergebrachten Triftbefugnisse
statt finden.
5) Das einzelne Schaafhüthen der Ge-
meindeglieder, und das einzelne Hüthen mit
dem Rindvieh oder sonstigen Viehe ist an
Orten, wo ein Hirte gehalten wird, durch-
aus verboten.
Im entgegengesetzten Falle bleibt es beym
Herkommen; jedoch wird hiebey ausdruͤcklich
alles Stückhüthen in Wegen und zwischen
den Feldern untersagt, auch oürfen unten
keinerley Vorwande im Frühjahre die Wie-
sen von Triftberechtigten mit Rindvieh be-
hüthet werden.
Die Fleischer in den Städten dürfen un-
ter ihrem herkömmlichen Sctechhaufen nicht
mehr Schaafe austreiben, als zum Schlach-
ten in der Stadt, wo sie wohnen, nöthig
sind. Das Hüthen der Schaafe zum Ver-
kauf unter dem Stechhaufen ist ihnen un-
tersagt.
6) Den einzelnen Gliedern elner Gemein-
de ist nachgelassen, über das nach Verhale-
niß der Grunsstucke oder sonst zu haltende
und zur Weide zu schickende Vieh, so viel
mehr zu halten, als Andere weniger halten