fullscreen: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Dritter Band. (3)

272 J. Kohler. 
schaft und über Ehelichkeit, kann das Gericht das Erscheinen erzwingen, wenn auch nicht durch 
Inhaftnahme, so doch durch Vorführung und durch Geldbuße (88 619, 640, 641 3PO.). Für 
Vermögenssachen gilt nur bei Gewerbe- und Kaufmannsgerichten etwas Ahnliches, wo mindestens 
Geldbuße als Zwangsmittel statthaft ist (GG#G. § 42, KaufGG 10). 
Sonst bedarf man eines solchen Zwanges nicht, weil die Parteien durch den Prozeß in 
Rechtslagen gebracht werden, welche auch ohne Zwang eine Erledigung des Prozesses ermög- 
lichen. Etwas Besonderes gilt allerdings bei der Entmündigung (§§8 654, 656, 671 Z PO.). 
3. Ein Gerichtszwang gegen Dritte kann dadurch veranlaßt werden, daß das Gericht 
zur Erledigung des Prozesses der Hilfe dritter Personen bedarf. 
Solche Fälle sind gegeben I. im Aufklärungsverfahren, nämlich 1. im Fall der Forde- 
rungspfändung: hier kann dem Drittschuldner die Aufforderung zukommen, sich zu erklären, 
ob er die gepfändete Forderung zugestehe oder nicht, und inwiefern sie frei oder bereits durch 
frühere Pfandrechte oder Pfändungen gebunden sei. Im Falle der Nichterklärung tritt, wie 
überhaupt im Falle der Nichterfüllung einer zugunsten einer bestimmten Person eingeführten 
Pflicht (§ 823 BGB.), Schadenersatzhaftung ein (§ 840 8PO.). 
Und ähnlich ist es 2. im Konkurs kraft des offenen Arrestes: der dritte Besitzer der Sache 
wird verpflichtet, dem Konkursverwalter vom Besitze der Sache Anzeige zu machen, ansonst 
er für Schadensersatz haftet (§§ 118, 119 KO.). 
Solche Fälle sind aber hauptsächlich gegeben II. im Beweisverfahren: da gerade 
der Beweis vielfach nur mit Hilfe dritter Personen geführt werden kann, so ist es wesentlich, 
daß der Staat mit Zwangsgewalt Personen zuziehen kann, die ihm helfen, den Beweis herzu- 
stellen. Im römischen Recht hat Justinian eine allgemeine Zeugenpflicht geregelt. Aber viel 
tiefer wurzelt der Zeugniszwang im germanischen Rechte, und der Gedanke durchdringt die 
deutschen Rechte, daß, wer sein Zeugnis verweigert und damit den Staat im Stiche läßt, 
auch nicht würdig ist, daß der Staat sich seiner mehr annimmt. Daher kann der Zeuge durch 
Achtung gezwungen werden, und daraus hat auch der kanonische Recht den Satz geschöpft, daß 
man den Zeugen exkommunizieren kann, bis er die Zeugnispflicht erfüllt. Auch heutzutage 
bleibt die Vorstellung mächtig, daß es eine öffeutliche Pflicht ist, als gerichtlicher Zeuge zu 
erscheinen. Andererseits wird man im Zivilprozeß den Gedanken nicht los, daß ein solcher 
Zwang doch nur im Interesse der einzelnen Prozeßparteien stattfindet. Daraus hat man folgendes 
abgeleitet: Es gibt Zwangsmittel, die ohne weiteres von Staats halber eintreten, und solche, die 
man nur anwendet, wenn ein Prozeßbeteiligter ihre Anwendung begehrt; auf solches Be- 
gehren kann gegen den Zeugen Beugungshaft bis zu sechs Monaten bestimmt werden, 
während der Zwang gegen Sachverständige nicht über Geldbußen hinausgehen kann (§§ 380, 
390, 913, 409 B3 PO.). Im Untersuchungsverfahren finden diese Zwangsmittel von Amts 
wegen statt (§ 653 Z PO.). 
Die Zeugnispflicht ist allerdings nur unter wesentlichen Beschränkungen erträglich, 
denn es gibt eine Reihe wichtiger Interessen, die durch eine unangemessene Anwendung der 
Zeugenpflicht gekränkt würden. Man darf nicht jedes Geheimnis zerstören; man darf vom 
Zeugen nicht verlangen, daß er seine cigenen Interessen oder seine heiligsten Gefühle zurück- 
dränge: man darf ihm keinen Heroismus zumuten. Daher gibt es Fälle der berechtigten Zeugnis-= 
verweigerung (§§ 376, 383 ff. Z8PO.). Inbesonderheit ist das Geheimnisrecht zu wahren, und 
zwar sowohl das Staatsgeheimnis (soweit der Beamte nicht vom Geheimnisse losgesagt wird) 
als auch das Geschäftsgeheimnis (das eigene wie das fremde), und sodann vor allem das Berufs- 
geheimnis. Dem Arzt, dem Anwalt, dem Gutachter und dem Seelsorger muß man alles mit- 
teilen dürfen, ohne die Gefahr, daß er es eröffnen muß. Dies ist ein allgemeines Interesse, 
nicht nur ein Interesse des einzelnen; denn wenn auch nur in einem einzelnen Falle ein Ver- 
trauensmann gezwungen wäre, Zeugnis abzulegen, so würden hunderte von Personen sich 
nicht mehr einem solchen für Leib oder Seele sicher anvertrauen können, und die Folge 
wäre, daß viele elendiglich zugrunde gingen. 
Aber auch das eigene Intceresse verlangt sein Recht: man braucht nicht Zeugnis abzugeben, 
wenn es gegen die eigene Ehre geht, noch auch dann, wenn das eigene Vermögen auf dem Spiele 
steht; auch dann nicht, wenn Vermögen oder Ehrc einer nahestehenden (noch lebenden) Person, 
also eines nahen Verwandten, berührt wird. Aber auch außerdem darf ein jeder Zeuge, der
	        
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