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Vater aber bestand darauf, daß der Anstand streng gewahrt wurde, und
kam den Gästen mit väterlicher Güte entgegen. Die Berliner jubelten,
weil die Zeitungen so viel Herrliches von dem freien Frankreich erzählten.
Selbst Ancillon, den der König zu den geheimen Vorverhandlungen nicht
zugezogen hatte, machte gute Miene zum bösen Spiele und versicherte dem
Wiener Hofe, die jungen Herren hätten manches Vorurteil entwaffnet.“)
In der Tat benahnm sich der französische Thronfolger als ein liebens-
würdiger, gebildeter, verständiger Mann; er gefiel, obwohl man seinen
lauernden Augen die Falschheit der Orleans anmerkte. Noch immer die
Hoffnung der Kriegspartei, hatte er doch den prahlerischen Ton des Na-
tionalgardisten schon längst abgelegt und bewegte sich in gemessenen
höfischen Formen, in fürstlicher Haltung; auf dem gefährlichen Berliner
Boden ließ er sich gern durch Al. Humboldt leiten. Beim Abschied von
dem Könige schien er tief gerührt: „mein Vater“, rief er aus, „hat mir
befohlen, nicht heimzukehren, ohne die wohltätige Hand geküßt zu haben,
die zwanzig Jahre lang der Welt den Frieden bewahrt hat.“ In Wien
war der Empfang viel kühler; die Erzherzöge hielten sich zurück, ein Teil
des hohen Adels hatte die Stadt verlassen. Auf den Festen verrieten sich
unverkennbar Steifheit, Verlegenheit, schlechte Laune, die Fürstin Metternich
trug ihre legitimistische Gesinnung mit gewohnter Hoffart zur Schau.“)
Dem ungeachtet wagte der Herzog von Orleans um die Hand der Erz-
herzogin Therese, der Tochter des Erzherzogs Karl, anzuhalten und empfing
eine höfliche Absage. Der greise Feldherr selbst hätte gern eingewilligt,
war er doch niemals ein Feind Frankreichs gewesen. Aber der gesamte
übrige Hof erklärte sich dawider, und nicht bloß aus legitimistischem Stolze;
die österreichischen Heiraten galten in Frankreich von alters her für
unheilvoll, und mit gutem Grunde glaubte Metternich, eine solche Familien-
verbindung könne den Julithron eher erschüttern als stützen.
Über diesen Mißerfolg zeigte sich Ludwig Philipp dermaßen aufge-
bracht, daß man in Berlin schon zu fürchten begann, er werde sich von
den deutschen Mächten abwenden und wieder in das Fahrwasser der revo-
lutionären Propaganda einlenken. Darum entschloß sich König Friedrich
Wilhelm, wieder ohne Ancillons Vorwissen, dem französischen Thronfolger
eine Gemahlin aus einem mindermächtigen, aber vornehmen, altfürstlichen
Hause zu verschaffen; und als ihm der französische Gesandte Bresson von
der anmutigen Prinzessin Helene von Mecklenburg-Schwerin sprach, über-
nahm er sofort selbst die Vermittlung. Metternich fand nichts einzuwenden;
er meinte höhnisch, diese Braut sei politisch völlig geruchlos (anodine).
Prinzessin Helene wardie Schwester von Friedrich Wilhelms Schwiegersohne,
dem lebenslustigen, pracht= und kunstliebenden Großherzog Paul Friedrich,
*) Ancillon an Maltzan, 26. Mai 1836.
**) Maltzans Bericht, 25. Juni 1836.
*“) Maltzans Berichte, Febr. 1837.