fullscreen: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Vierter Teil. Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. (27)

516 IV. 8. Stille Jahre. 
Vater aber bestand darauf, daß der Anstand streng gewahrt wurde, und 
kam den Gästen mit väterlicher Güte entgegen. Die Berliner jubelten, 
weil die Zeitungen so viel Herrliches von dem freien Frankreich erzählten. 
Selbst Ancillon, den der König zu den geheimen Vorverhandlungen nicht 
zugezogen hatte, machte gute Miene zum bösen Spiele und versicherte dem 
Wiener Hofe, die jungen Herren hätten manches Vorurteil entwaffnet.“) 
In der Tat benahnm sich der französische Thronfolger als ein liebens- 
würdiger, gebildeter, verständiger Mann; er gefiel, obwohl man seinen 
lauernden Augen die Falschheit der Orleans anmerkte. Noch immer die 
Hoffnung der Kriegspartei, hatte er doch den prahlerischen Ton des Na- 
tionalgardisten schon längst abgelegt und bewegte sich in gemessenen 
höfischen Formen, in fürstlicher Haltung; auf dem gefährlichen Berliner 
Boden ließ er sich gern durch Al. Humboldt leiten. Beim Abschied von 
dem Könige schien er tief gerührt: „mein Vater“, rief er aus, „hat mir 
befohlen, nicht heimzukehren, ohne die wohltätige Hand geküßt zu haben, 
die zwanzig Jahre lang der Welt den Frieden bewahrt hat.“ In Wien 
war der Empfang viel kühler; die Erzherzöge hielten sich zurück, ein Teil 
des hohen Adels hatte die Stadt verlassen. Auf den Festen verrieten sich 
unverkennbar Steifheit, Verlegenheit, schlechte Laune, die Fürstin Metternich 
trug ihre legitimistische Gesinnung mit gewohnter Hoffart zur Schau.“) 
Dem ungeachtet wagte der Herzog von Orleans um die Hand der Erz- 
herzogin Therese, der Tochter des Erzherzogs Karl, anzuhalten und empfing 
eine höfliche Absage. Der greise Feldherr selbst hätte gern eingewilligt, 
war er doch niemals ein Feind Frankreichs gewesen. Aber der gesamte 
übrige Hof erklärte sich dawider, und nicht bloß aus legitimistischem Stolze; 
die österreichischen Heiraten galten in Frankreich von alters her für 
unheilvoll, und mit gutem Grunde glaubte Metternich, eine solche Familien- 
verbindung könne den Julithron eher erschüttern als stützen. 
Über diesen Mißerfolg zeigte sich Ludwig Philipp dermaßen aufge- 
bracht, daß man in Berlin schon zu fürchten begann, er werde sich von 
den deutschen Mächten abwenden und wieder in das Fahrwasser der revo- 
lutionären Propaganda einlenken. Darum entschloß sich König Friedrich 
Wilhelm, wieder ohne Ancillons Vorwissen, dem französischen Thronfolger 
eine Gemahlin aus einem mindermächtigen, aber vornehmen, altfürstlichen 
Hause zu verschaffen; und als ihm der französische Gesandte Bresson von 
der anmutigen Prinzessin Helene von Mecklenburg-Schwerin sprach, über- 
nahm er sofort selbst die Vermittlung. Metternich fand nichts einzuwenden; 
er meinte höhnisch, diese Braut sei politisch völlig geruchlos (anodine). 
Prinzessin Helene wardie Schwester von Friedrich Wilhelms Schwiegersohne, 
dem lebenslustigen, pracht= und kunstliebenden Großherzog Paul Friedrich, 
*) Ancillon an Maltzan, 26. Mai 1836. 
**) Maltzans Bericht, 25. Juni 1836. 
*“) Maltzans Berichte, Febr. 1837. 
 
	        
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