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Vornehmlich hat auch der Orts-Schuldheiß,
c) was das Armenwesen betrifft, gemäß der den Gemeinden und dem
Ortsvorstande hiermit aufgelegten Verpflichtung, unter allen Umstän-
den für das augenblickliche Bedürfniß Kranker und Nothleidender aus-
reichend zu sorgen und für solchen Zweck in der Gemeindekasse jeder
Zeit so viel Geld verfügbar zu halten, daß cinem Nothstande dieser
Art sofort abgeholfen werden kann, vorbehaältlich des Regreß-Anspruchs
der Gemeinde an die zum Ersate des geleisteten Vorschusses ver-
pflichtete Heimathöbezirk3s-Kasse.
g. 68.
Dem Schuldheißen steht, unabhaͤngig von dem Ortsvorstande, die Leitung
und Beaufsichtigung der Geschaͤftsfuͤhrung bei der Gemeinde zu. Er empfaͤngt
und entsiegelt die an solche eingehenden Schriften; er versammelt die Gemeinde
und den Ortsvorstand; er hat den Vorsitz und Vortrag in den Versamm-
lungen und beaufsichtiget die Gemeindekasse-Verwaltung, weshalb er auch durch
uUnterschrift der Rechnungsbelege zur Verausgabung des Betrags ermaächtiget;
er leitet das Gemeinde-Bauwesen, ordnet und vertheilt die Gemeindedienste;
er bringt die Beschlüsse der Gemeindeversammlung und des Ortsvorstandes
zur Ausführung, besorgt die Entwerfung der Berichte und anderer nöthigen
Schriften selbst oder durch den Gemeindeschreiber; er bewahrt das Gemeinde-
siegel und die Gemeindelade und unterzeichnet mit den Vorstehern die schrift-
lichen Ausfertigungen in Gemeindeangelegenheiten.
Uebrigens darf derselbe zu seiner Erleichterung den Gemeindevorstehern ge-
wisse Geschäftezweige, z. B. das Bauwesen, die Obstanpflanzungen, die Huth-
und Trift-Angelegenheiten, zu besonderer Besorgung zutheilen.
S. 69.
Die Wahl des Schuldheißen wird in unmittelbaren Ortschaften vom
Großherzoglichen Oberbeamten, in mittelbaren Ortschaften vom Patrimo-=
nial-Gerichtsherrn vorgenommen und beschlossen und solcher Beschluß von der
Ortêbehörde (Justizamt, Stadtgericht, Patrimonial-Gericht) dem Bezirks-Land-
rathe angezeigt. Wenn hierauf binnen vier Wochen von Zeit der Anzeige
kein Einwand erfolgt ist, so schreitet die Ortöbehörde ohne Weiteres mit der
Verpflichtung und Anstellung des Gewählten vor; wenn dagegen der Land-
rath, aus besonderen, anzuführenden Gründen und Bedenken, wider die Bestä-
tigung des Gewäblten sich erklärt, so sind entweder jene Bedenken mittelst