System des bürgerlichen Rechts. A. Allgemeine Lehren. 87
Geltung. Nur in den Partikularrechten blieb vielfach noch, namentlich durch
das Mittel des ehelichen Güterrechts, für die verheiratete Frau die alte Ge-
schlechtsvormundschaft in der Form vormundschaftlicher Rechte des Ehemanns
bzw. geminderter Geschäftsfähigkeit der Ehefrau, in Kraft. Das bürgerliche
Gesetzbuch hat nunmehr diese Nachwirkungen einer älteren Zeit überall be-
seitigt. Die Frau ist nach dem bürgerlichen Gesetzbuch gleich mündig, gleich
geschäftsfähig, privatrechtlich gleich mächtig wie der Mann, und selbst die
verheiratete Frau besitzt männliche, brünhildische Kräfte trotz der Wirkung,
welche die eheliche Gemeinschaft auf ihre persönliche und vermögensrechtliche
Stellung ausübt.
Unmündig ist nach dem bürgerlichen Gesetzbuch nur noch die unent- Unmündige.
wickelte oder geistig abnorme Persönlichkeit: der Minderjährige und der Ent-
mündigte. Entmündigung ist möglich wegen Geisteskrankheit, Geistesschwäche,
Verschwendung, Trunksucht.
Das Wesen der natürlichen Persönlichkeit ist die Rechtsfähigkeit. Auch
der Unmündige ist rechtsfähig. Alle Privatrechte können ihm erworben werden.
Was ihm fehlt, ist nur die Geschäftsfähigkeit, die Fähigkeit, durch eigenen
Willensentschluß über seine, sei es persönlichen, sei es vermögensrechtlichen
Angelegenheiten zu entscheiden. Er ist rechtsfähig, wenngleich er vom freien
Gebrauch seiner Rechte ausgeschlossen ist.
Ausdruck der Rechtsfähigkeit ist der bürgerliche Name, d. h. der Name, Namenrecht.
welcher einer Person als Rechtssubjekt zukommt. Der bürgerliche Name ist
Gegenstand eines Namenrechts. Gebraucht ein anderer unbefugt den gleichen
Namen, so kann der dadurch in irgendwelchem Interesse verletzte Namen-
berechtigte auf Beseitigung der Beeinträchtigung klagen. Auch der ange-
nommene Name, das Pseudonym eines Schauspielers, Schriftstellers ist durch
das Namenrecht geschützt. Das Namenrecht dient der Person zur Geltend-
machung ihres Daseins, ihres Zusammenhangs mit einer bestimmten Familie
sowie ihres Sonderseins und ihres Sonderwerts gegenüber anderen Persönlich-
keiten. Das bürgerliche Gesetzbuch hat das Namenrecht ausdrücklich an-
erkannt und damit den Schutz der Persönlichkeit als solcher vollendet.
II. Juristische Personen. Nicht bloß der Einzelne (die natürliche hen
Person) bedarf des Eigentums, sondern ebenso die gesellschaftlichen Verbände, persönlichkeit.
die über dem Einzelnen sich erheben. Es wird in immer stärkerem Maße ein
Vermögen notwendig, das den Verband als solchen (z. B. den Staat, die Ge-
meinde) für seine ununterbrochen wachsenden Aufgaben leistungsfähig macht.
Die Rechtsform für solches Verbandsvermögen ist die juristische Persönlich-
keit des Verbandes.
Es hat einer Entwickelung bedurft, um zu dieser Rechtsform zu gelangen.
Die naive Auffassung der Urzeit setzt den Verband gleich mit den Ver-
bundenen. Das Vermögen des Verbandes erscheint danach auf der älteren Ent-
wickelungsstufe des Rechts als gemeinsames Vermögen der Verbandsange-
hörigen: das Vermögen des Staats als gemeinsames Vermögen der Volksgenossen