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Amerika.
gierigen Nepotismus gegeben, er würde mit diesem Beispiel für alle Zukunft
den Character des öffentlichen Dienstes vergiftet haben. Daß in unsern Tagen
dieses Gift in solchem Strome von dem höchsten Platze herniederfließt, ist ein
Unglück. Aber ein noch schlimmeres Unglück ist es, daß der Parteigeist jene
das offizielle Ehrgefühl in der ganzen Republik untergrabenden Handlungen
mit dem Mantel der Achtbarkeit zuzudecken strebt. Mit dem Rosenwasser der
Schmeichelei heilt man diese Krebsschäden nicht. Mit höflichem Schweigen oder
vertuschenden Redensarten geht man solchen Uebeln nicht zu Leibe. Es gehört
Entschlossenheit dazu, und diese wird hoffentlich nicht auf sich warten lassen,
bis die Krankheit unheilbar ist.“ Die Rede schließt mit einer feurigen An-
sprache an die Deutschen, worin es heißt: „Die große Seele Deutschlands, die
viele Menschenleben hindurch wie ein Gespenst in der Weltgeschichte umging,
hat endlich wieder einen Körper gefunden, gewaltig wie sie selbst. Es ist
immer meine Ueberzeugung gewesen, und sie ist es jetzt mehr als jemals, daß
die amerikanische Republik und das große deutsche Nationalreich, dessen rasche
und gewaltige Entwicklung jetzt die Welt in Erstaunen setzt, stets durch das
Band aufrichtiger Freundschaft mit einander verbunden sein werden. Das ist
keine bloße Phrase. Diese Freundschaft wird genährt werden nicht etwa durch
bloßes sentimentales Wohlwollen, sondern durch das instinktive Bewußtsein ge-
meinsamer Interessen und gleichartiger Zwecke in den großen Händeln der Welt.“
4. Sept. In Netyork geht endlich eine große Bürgerversammlung, an der
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sich namentlich auch das deutsche Element betheiligt, der Corruption
der städtischen Verwaltung und der Tyrannei des sog. Tamany-Rings
mit Entschiedenheit zu Leibe und setzt einen 70er Ausschuß nieder, um
die Angelegenheit weiter zu betreiben.
„ Die zur Begleichung der sogenannten Alabama-Ansprüche ernannte
Commission hält ihre erste Sitzung in Washington. Nach Austausch
der üblichen Höflichkeiten wird Graf Corti zum Vorsitzenden bei künf-
tigen Zusammenkünften erwählt. Am Tage darauf wird Hr. Cox,
ein Beamter im amerikanischen Staatsdepartement, zum Sekretär er-
nannt, und man einigt sich über die Geschäftsordnung. Darauf ver-
tagen sich die Commissäre bis zum 14. Nov., um Zeit für die Ein-
reichung der Ansprüche zu lassen.
„ u. Oct. Die Staatenwahlen dieser beiden Monate fallen über-
wiegend zu Gunsten der republikanischen Partei aus. Die Aussichten
für eine Wiederwahl Grant's steigen. Die Opposition Schurz's und
seine Bemühungen für Umwandlung der republ. Partei, resp. für die
Gründung einer neuen macht vorerst wenigstens nur geringe Fortschritte.
24. Oct. Den Mormonen in Utah und ihrer Vielweiberei wird endlich
von Seite der Unionsregierung energisch zu Leibe gegangen.
7. Nov. Die Staatswahlen in Newyork fallen zu Gunsten der republ.
Partei aus. Die Führer des Tamany-Rings werden processirt, doch
ist ihr Sturz noch kein vollständiger und kein definitiver.
„ Conflict mit Rußland wegen des Gesandten desselben in Washington,
der von der Unionsregierung ungehöriger Einmischung beschuldigt und
dessen Abberufung von ihr erzwungen wird.