Full text: Regierungs-Blatt für das Großherzogthum Sachsen-Weimar-Eisenach auf das Jahr 1871. (55)

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Ministerial-Bekanntmachung, 
betreffend 
die vorläufige Entlassung der Strafgefangenen (§§. 23 bis 26 des 
Strafgesetzbuchs) sowie die Stellung unter Polizeiaufsicht 
(§§. 38, 39 des Strfgesetzbuchs). 
[(34)] Zur Ausführung der §§. 23 bis 26 und der §§ 38 und 39 des Straf- 
gesetzbuchs vom 31. Mai 1870 wird in Betreff der vorläufigen Entlassung der 
Strafgefangenen und der erkannten Zulässigkeit der Stellung unter Polizeiaufsicht 
hiermit Nachstehendes bestimmt: 
Ueber die vorläusige Entlassung der Strafgefangenen. 
F. 1. 
Hinsichtlich der Zulässigkeit der vorläufigen Entlassung macht es keinen Unter- 
schied, ob die Strafe vor oder nach dem 1. Januar 1871 erkannt worden ist. 
§. 2. 
Die vorläufige Entlassung kann von dem Gefangenen niemals als ein Recht 
in Anspruch genommen werden. Sie hat vielmehr den Charakter einer Vergünsti- 
gung, welche von der betreffenden Gefängnißverwaltung nur dann zu befürworten 
ist, wenn bei ihr die Ueberzeugung besteht, daß der Gefangene sich gebessert habe 
und die ihm durch die vorläufige Entlassung gebotene Gelegenheit zum Wiederbeginn 
eines ehrenhaften und gesetzlichen Lebenswandels nicht mißbrauchen werde. 
§. 3. 
Der Gefangene, welchem hiernach die vorläufige Entlassung zu Theil werden 
soll, muß sich während der vorangegangenen Haft der Anstaltsordnung entsprechend 
betragen und zugleich in seinem Gesammtverhalten denjenigen Ernst an den Tag 
gelegt haben, welcher als eine Gewähr dafür angesehen werden kann, daß er den 
bei der Entlassung gehegten Erwartungen entsprechen werde. 
Auf den Umstand allein, daß der Gefangene zu disziplinarischen Rügen keine 
Veranlassung gegeben hat, darf der Entlassungsantrag niemals gegründet werden. 
Andererseits werden vereinzelte leichtere Verstöße gegen die Hausordnung, falls die- 
selben nicht auf üblen Willen zurückzuführen sind, bei sonst zufriedenstellendem Ge- 
sammtverhalten den Antrag nicht unbedingt ausschließen dürfen. 
S. 4. 
Außer der Führung des Gefangenen während der Dauer der Haft sind die 
Lebensverhältnisse in Betracht zu ziehen, denen derselbe nach der Entlassung entge- 
gen geht.
	        
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