Full text: Reichs-Gesetzblatt. 1872. (6)

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Die Verjährung der Strafverfolgung beginnt in diesem Falle erst mit dem 
Tage, an welchem das Schiff, dem der Thäter zur Zeit der Begehung angehörte, 
zuerst ein Seemannsamt erreicht.  
§. 101. 
In den Fällen der §§. 81 Abs. 1, 84, 93, 99 erfolgt die Untersuchung 
und Entscheidung durch das Seemannsamt. Dasselbe hat den Angeschuldigten 
verantwortlich zu vernehmen und den Thatbestand summarisch  festzustellen. Eine 
Vereidigung von Zeugen findet nicht statt. Nach Abschluß der Untersuchung ist 
ein mit Gründen versehener Bescheid zu ertheilen, welcher dem Angeschuldigten 
im Falle seiner Anwesenheit zu verkünden, im Falle seiner Abwesenheit in  
Ausfertigung zuzustellen ist. Wird eine Strafe festgesetzt, so ist die Dauer der für 
den Fall des Unvermögens an Stelle der Geldstrafe tretenden Haft zu be- 
stimmen.   
Gegen den Bescheid kann der Beschuldigte innerhalb einer zehntägigen 
Frist von der Verkündigung oder der Zustellung ab auf gerichtliche Entscheidung 
antragen. Der Antrag ist bei dem Seemannsamt zu Protokoll oder schriftlich 
anzubringen.  
Hat das Seemannsamt seinen Sitz im Auslande, so ist für das weitere 
Verfahren dasjenige Gericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk der Heimaths- 
hafen und in Ermangelung eines solchen derjenige deutsche Hafen belegen ist, 
welchen das Schiff nach der Straffestsetzung zuerst erreicht. 
Der Bescheid des Seemannsamtes ist in Betreff der Beitreibung der Geld- 
strafe vorläufig vollstreckbar. 
§. 102. 
Begeht ein Schiffsmann, während das Schiff sich auf der See oder im 
Auslande befindet, ein Vergehen oder Verbrechen, so hat der Schiffer unter Zu- 
ziehung von Schiffsoffizieren und anderen glaubhaften Personen alles dasjenige 
genau aufzuzeichnen, was auf den Beweis der That und auf deren Bestrafung 
Einfluß haben kann. Insbesondere ist in den Fällen der Tödtung oder schweren 
Körperverletzung die Beschaffenheit der Wunden genau zu beschreiben, auch zu 
vermerken, wie lange der Verletzte etwa noch gelebt hat, ob und welche Heil- 
mittel angewendet sind und welche Nahrung der Verletzte zu sich genommen hat. 
§. 103. 
Der Schiffer ist ermächtigt, jederzeit die Effekten der Schiffsleute, welche 
der Betheiligung an einer strafbaren Handlung verdächtig sind, zu durchsuchen. 
Der Schiffer ist ferner ermächtigt, denjenigen Schiffsmann, der sich einer 
mit schwerer Strafe bedrohten Handlung (§. 57 Ziffer 3) schuldig macht, festzu- 
nehmen. Er ist hierzu verpflichtet, wenn das Entweichen des Thäters zu be- 
sorgen steht. 
 Der Thäter ist unter Mittheilung der aufgenommenen Verhandlungen an 
dasjenige Seemannsamt, bei welchem es zuerst geschehen kann, abzuliefern. 
Wenn im Auslande das Seemannsamt aus besonderen Gründen die Uebernahme
	        
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