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Es wird jedoch das lediglich mündlich ausgedrückte Auffordern oder Er-
bieten, sowie die Annahme eines solchen nur dann bestraft, wenn die Auffor-
derung oder das Erbieten an die Gewährung von Vortheilen irgend welcher
Art geknüpft worden ist.
Neben der Gefängnißstrafe kann auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte
und auf Zulässigkeit von Polizei-Aufsicht erkannt werden.
§. 50.
Wenn das Gesetz die Strafbarkeit einer Handlung nach den persönlichen
Eigenschaften oder Verhältnissen desjenigen, welcher dieselbe begangen hat, erhöht
oder vermindert, so sind diese besonderen Thatumstände dem Thäter oder dem-
jenigen Theilnehmer (Mitthäter, Anstifter, Gehülfe) zuzurechnen, bei welchem sie
vorliegen.
Vierter Abschnitt.
Gründe, welche die Strafe ausschließen oder mildern.
§. 51.
Eine strafbare Handlung ist nicht vorhanden, wenn der Thäter zur Zeit
der Begehung der Handlung sich in einem Zustande von Bewußtlosigkeit oder
krankhafter Störung der Geistesthätigkeit befand, durch welchen seine freie Willens-
bestimmung ausgeschlossen war.
§. 52.
Eine strafbare Handlung ist nicht vorhanden, wenn der Thäter durch un-
widerstehliche Gewalt oder durch eine Drohung, welche mit einer gegenwärtigen,
auf andere Weise nicht abwendbaren Gefahr für Leib oder Leben seiner selbst
oder eines Angehörigen verbunden war, zu der Handlung genöthigt worden ist.
Als Angehörige im Sinne dieses Strafgesetzes sind anzusehen Verwandte
und Verschwägerte auf- und übsteigender Linie, Adoptiv- und Pflege-Eltern und
Kinder, Ehegatten, Geschwister und deren Ehegatten, und Verlobte.
§. 53.
Eine strafbare Handlung ist nicht vorhanden, wenn die Handlung durch
Nothwehr geboten war.
Nothwehr ist diejenige Vertheidigung, welche erforderlich ist, um einen gegen-
wärtigen, rechtswidrigen Angriff von sich oder einem Anderen abzuwenden.
Die Ueberschreitung der Nothwehr ist nicht strafbar, wenn der Thäter in
Bestürzung, Furcht oder Schrecken über die Grenzen der Vertheidigung hinaus-
gegangen ist.
§. 54.
Eine strafbare Handlung ist nicht vorhanden, wenn die Handlung außer
dem Falle der Nothwehr in einem unverschuldeten, auf andere Weise nicht zu
beseitigenden Nothstande zur Rettung aus einer gegenwärtigen Gefahr für Leib
oder Leben des Thäters oder eines Angehörigen begangen worden ist.
Reichs · Gesetzbl. 1876. 11