Full text: Reichs-Gesetzblatt. 1878. (12)

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§. 87. 
Die Verhängung von Zwangsmaßregeln, sowie die Festsetzung von Strafen 
gegen Zeugen und Sachverständige, welche in der Hauptverhandlung ausbleiben 
oder ihre Aussage oder deren Beeidigung verweigern, erfolgt auf Ersuchen durch 
das Amtsgericht, in dessen Bezirke dieselben ihren Wohnsitz und in Ermangelung 
eines solchen ihren Aufenthalt haben. 
§. 88. 
Die Aussage eines außerhalb der Hauptverhandlung vernommenen Zeugen 
oder Sachverständigen, dessen Vernehmung nicht in der Hauptverhandlung er- 
folgen muß, ist, sofern es die Staatsanwaltschaft oder der Angeklagte beantragt 
oder das Ehrengericht es für erforderlich erachtet, zu verlesen. 
§. 89. 
Für die Verhandlung und Entscheidung über das Rechtsmittel der Be- 
schwerde ist das Oberlandesgericht zuständig. 
§. 90 
Gegen die Urtheile des Ehrengerichts ist die Berufung an den Ehren- 
gerichtshof zulässig. 
Der Ehrengerichtshof besteht aus dem Präsidenten des Reichsgerichts als 
Vorsitzenden, drei Mitgliedern des Reichsgerichts und drei Mitgliedern der An- 
waltskammer bei dem Reichsgerichte. 
Die Mitglieder des Reichsgerichts werden nach den Vorschriften der §§. 62, 
63, 133 des Gerichtsverfassungsgesetz  bestimmt. Die Mitglieder der Anwalts- 
kammer werden vor Beginn des Geschäftsjahres auf die Dauer desselben von 
der Anwaltskammer gewählt. 
In gleicher Weise werden drei Stellvertreter der Mitglieder des Reichs- 
gerichts und zwei Stellvertreter der Mitglieder der Anwaltskammer bestimmt. 
Auf die Vertretung des Präsidenten findet die Vorschrift des §. 65 Abs. 2 
des Gerichtsverfassungsgesetzes entsprechende Anwendung. 
§. 91. 
Auf das Verfahren in der Beschwerdeinstanz und in der Berufungsinstanz 
finden die Vorschriften der Strafprozeßordnung und der §§. 82, 83 Abs. 1, 
§§. 84, 86 bis 88 dieses Gesetzes entsprechende Anwendung. 
§. 92. 
Die Verrichtungen der Staatsanwaltschaft werden von der Staatsanwalt- 
schaft bei dem Oberlandesgerichte, in der Berufungsinstanz von der Staats- 
anwaltschaft bei dem Reichsgerichte wahrgenommen. 
Reichs-Gesetzbl. 1878. 38
	        
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