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§. 13.
In Strafsachen findet vor der Gerichtsbehörde zweiter Instanz in Bezug
auf die Zuziehung der Beisitzer die Vorschrift des §. 30 des Gerichtsverfassungs-
gesetzes mit der oben im §. 7 Absatz 1 bezeichneten Maßgabe Anwendung. Den
Umfang der Beweisaufnahme bestimmt das Gericht, ohne hierbei durch Anträge,
Verzichte oder frühere Beschlüsse gebunden zu sein.
Die Mitwirkung einer Staatsanwaltschaft findet nicht statt.
Der nicht auf freiem Fuße befindliche Angeklagte hat Anspruch auf An-
wesenheit in der Hauptverhandlung, wenn er sich am Orte des Berufungsgerichts
befindet.
In den zur Zuständigkeit der Schwurgerichte gehörenden Sachen ist die
Vertheidigung auch in der Berufungsinstanz nothwendig. In der Hauptver-
handlung ist die Anwesenheit des Vertheidigers erforderlich; der §. 145 der Straf-
prozeßordnung findet Anwendung.
Imn Uebrigen verbleibt es bei den Vorschriften im §. 40 des Gesetzes über.
die Konsulargerichtsbarkeit.
§. 14.
Die Todesstrafe ist durch Erschießen oder Erhängen zu vollstrecken.
Der Kaiserliche Kommissar bestimmt, welche der beiden Vollstreckungsarten
in dem einzelnen Falle stattzufinden hat.
§. 15.
In dem Verfahren vor den Gerichtsbehörden im Schutzgebiete finden das
Gerichtskostengesetz und die Gebührenordnungen für Gerichtsvollzieher, für Zeugen
und Sachverständige, sowie für Rechtsanwälte keine Anwendung.
Die Vorschriften, welche an Stelle der bezeichneten Gesetze zu treten haben,
werden von dem Reichskanzler erlassen.
§. 16.
Die in Gemäßheit der Verordnung vom 21. Dezember 1887 bezüglich der
Rechtsverhältnisse an unbeweglichen Sachen maßgebenden Bestimmungen finden
fortan keine Anwendung. Die Regelung dieser Verhältnisse bleibt vorbehalten.
§. 17.
Diese Verordnung tritt am 1. Oktober 1890 in Kraft.
Urkundlich unter Unserer Höchsteigenhändigen Unterschrift und beigedrucktem
Kaiserlichen Insiegel.
Gegeben Helgoland, den 10. August 1890.
(L. S.) Wilhelm.
von Caprivi.
Herausgegeben im Reichsamt des Innern.
Berlin, gedruckt in der Reichsdruckerei.