Full text: Reichs-Gesetzblatt. 1891. (25)

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III. Lehrlingsverhältnisse. 
§. 126. 
Der Lehrherr ist verpflichtet, den Lehrling in den bei seinem Betriebe vor- 
kommenden Arbeiten des Gewerbes in der durch den Zweck der Ausbildung ge- 
botenen Reihenfolge und Ausdehnung zu unterweisen. Er muß entweder selbst 
oder durch einen geeigneten, ausdrücklich dazu bestimmten Vertreter die Aus- 
bildung des Lehrlings leiten. Er darf dem Lehrling die zu seiner Ausbildung 
und zum Besuche des Gottesdienstes an Sonn- und Festtagen erforderliche Zeit 
und Gelegenheit durch Verwendung zu anderen Dienstleistungen nicht entziehen. 
Er hat den Lehrling zur Arbeitsamkeit und zu guten Sitten anzuhalten und vor 
Ausschweifungen zu bewahren. 
§. 127. 
Der Lehrling ist der väterlichen Zucht des Lehrherrn unterworfen. Dem- 
jenigen gegenüber, welcher an Stelle des Lehrherrn seine Ausbildung zu leiten 
hat, ist er zur Folgsamkeit verpflichtet. 
§. 128. 
Das Lehrverhältniß kann, wenn eine längere Frist nicht vereinbart ist, 
während der ersten vier Wochen nach Beginn der Lehrzeit durch einseitigen Rück- 
tritt aufgelöst werden. Eine Vereinbarung, wonach diese Probezeit mehr als drei 
Monate betragen soll, ist nichtig. 
Nach Ablauf der Probezeit kann der Lehrling vor Beendigung der ver- 
abredeten Lehrzeit entlassen werden, wenn einer der im §. 123 vorgesehenen Fälle 
auf ihn Anwendung findet. 
Von Seiten des Lehrlings kann das Lehrverhältniß nach Ablauf der 
Probezeit aufgelöst werden: 
1. wenn einer der im §. 124 unter Nr. 1, 3 bis 5 vorgesehenen Fälle 
vorliegt; 
2. wenn der Lehrherr seine gesetzlichen Verpflichtungen gegen den Lehrling 
in einer die Gesundheit, die Sittlichkeit oder die Ausbildung des Lehr- 
lings gefährdenden Weise vernachlässigt, oder das Recht der väter- 
lichen Zucht mißbraucht, oder zur Erfüllung der ihm vertragsmäßig 
obliegenden Verpflichtungen unfähig wird. 
Der Lehrvertrag wird durch den Tod des Lehrlings aufgehoben. Durch 
den Tod des Lehrherrn gilt der Lehrvertrag als aufgehoben, sofern die Auf- 
hebung innerhalb vier Wochen geltend gemacht wird. 
Schriftliche Lehrverträge sind stempelfrei. 
§. 129. 
Bei Beendigung des Lehrverhältnisses hat der Lehrherr dem Lehrling unter 
Angabe des Gewerbes, in welchem der Lehrling unterwiesen worden ist, über
	        
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