Full text: Reichs-Gesetzblatt. 1891. (25)

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die Dauer der Lehrzeit und die während derselben erworbenen Kenntnisse und 
Fertigkeiten, sowie über sein Betragen ein Zeugniß auszustellen, welches von der 
Gemeindebehörde kosten- und stempelfrei zu beglaubigen ist. 
An Stelle dieser Zeugnisse können, wo Innungen oder andere Ver- 
tretungen der Gewerbetreibenden bestehen, die von diesen ausgestellten Lehr- 
briefe treten. 
§. 130. 
Verläßt der Lehrling in einem durch dies Gesetz nicht vorgesehenen Falle 
ohne Zustimmung des Lehrherrn die Lehre, so kann letzterer den Anspruch auf 
Rückkehr des Lehrlings nur geltend machen, wenn der Lehrvertrag schriftlich ge- 
schlossen ist. Die Polizeibehörde kann in diesem Falle auf Antrag des Lehrherrn 
den Lehrling anhalten, solange in der Lehre zu verbleiben, als durch gerichtliches 
Urtheil das Lehrverhältniß nicht für aufgelöst erklärt ist. Der Antrag ist nur 
zulässig, wenn er binnen einer Woche nach dem Austritt des Lehrlings gestellt 
ist. Im Falle der Weigerung kann die Polizeibehörde den Lehrling zwangsweise 
zurückführen lassen, oder durch Androhung von Geldstrafe bis zu fünfzig Mark 
oder Haft bis zu fünf Tagen zur Rückkehr ihn anhalten. 
§. 131. 
Wird von dem Vater oder Vormund für den Lehrling oder, sofern der 
letztere großjährig ist, von ihm selbst dem Lehrherrn die schriftliche Erklärung ab- 
gegeben, daß der Lehrling zu einem anderen Gewerbe oder anderen Berufe über- 
gehen werde, so gilt das Lehrverhältniß, wenn der Lehrling nicht früher entlassen 
wird, nach Ablauf von vier Wochen als aufgelöst. Den Grund der Auflösung 
hat der Lehrherr in dem Arbeitsbuche zu vermerken. 
Binnen neun Monaten nach der Auflösung darf der Lehrling in demselben 
Gewerbe von einem anderen Arbeitgeber ohne Zustimmung des früheren Lehrherrn 
nicht beschäftigt werden. 
§. 132. 
Erreicht das Lehrverhältniß vor Ablauf der verabredeten Lehrzeit sein Ende, 
so kann von dem Lehrherrn oder von dem Lehrling ein Anspruch auf Ent- 
schädigung nur geltend gemacht werden, wenn der Lehrvertrag schriftlich geschlossen 
ist. In den Fällen des §. 128 Absatz 1 und 4 kann der Anspruch nur geltend 
gemacht werden, wenn dieses in dem Lehrvertrage unter Festsetzung der Art und 
Höhe der Entschädigung vereinbart ist. 
Der Anspruch auf Entschädigung erlischt, wenn er nicht innerhalb vier 
Wochen nach Auflösung des Lehrverhältnisses im Wege der Klage oder Einrede 
geltend gemacht ist. 
§. 133. 
Ist von dem Lehrherrn das Lehrverhältniß aufgelöst worden, weil der 
Lehrling die Lehre unbefugt verlassen hat, so ist die von dem Lehrherrn be- 
anspruchte Entschädigung, wenn in dem Lehrvertrage ein Anderes nicht ausbedungen
	        
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