Object: Das öffentliche Recht des Deutschen Reichs. I. Teil. Lehrbuch des Staats- und Verwaltungsrechts. (1)

518 § 68. Preußen als konstitutionelle Monarchie. 
densstärke beruhte und natürlich eine beträchtliche Vermehrung 
der jährlichen Heeresausgaben nach sich ziehen mußte. Die Re- 
organisation wurde vom Abgeordnetenhause vorläufig bis zum 
30. Juni 1861 bewilligt, von der Regierung aber als dauernd 
behandelt (Fahnenweihel). Das hierdurch hervorgerufene, durch 
andere Vorkommnisse (feierliche Krönung Wilhelms I., Ablehnung 
der Grundsteuer und der Ziollehe durch das Herrenhaus) verstärkte 
Mißtrauen in die Absichten der Regierung führte dazu, daß die 
Opposition (namentlich die aus der Fraktion „Jung Lithauen“ 
entstandene Deutsche Fortschrittspartei, S. 262) bei 
den Wahlen 1861 und 1862 die Mehrheit im Abgeordnetenhause 
erhielt, worauf die von der Regierung als dauernde Ausgabe in 
das Ordinarium des Etats eingestellten Kosten der Heeresreorga- 
nisation zunächst in das Extraordinarium überwiesen und am 
23. September 1862 mit 308 gegen 11 Stimmen gestrichen 
wurden. Am 24. September 1862 berief darauf König Wilhelm 
den damaligen preußischen Gesandten in Paris, Otto von 
Bismarck, an die Spitze des Ministeriums. 
Bismarck wurde als Sohn des altadligen Rittmeisters 
Karl Wilhelm Ferdinand von Bismarck und der Luise Wilhelmine 
Mencken, einer Tochter des Kabinettsrats Friedrichs des Großen, 
Mencken, am 1. April 1815 auf dem Familiengute Schönhausen 
in der Altmark geboren, studierte seit 1832 in Göttingen (Korps 
Hannovera), wurde 1835 Auskultator in Berlin, 1837 Regie- 
rungsreferendar in Potsdam, 1838 Einjährig-Freiwilliger beim 
Gardejägerbataillon, später beim 2. Jägerbataillon in Greifs- 
wald. Er übernahm 1845 das um die pälfte verkleinerte 
Stammgut Schönhausen, wurde dort Deichhauptmann und 1847 
in den sächsischen Provinziallandtag gewählt, als dessen Mitglied 
er auch in den Vereinigten Landtag eintrat. Hier sowie als 
Mitglied der Zweiten Kammer (1849) bekannte er sich als An- 
hänger ultrakonservativer und junkerlicher Anschauungen. 1851 
wurde er Bundestagsgesandter in Frankfurt a. M., 1859 Ge- 
sandter in Petersburg, 1862 Gesandter in Paris. 
Bereits 1861 hatte Bismarck dem König eine Denkschrift 
über den Verfassungskonflikt überreicht. Am 24. September 1862 
wurde er zum interimistischen Vorsitzenden des Staatsministeriums 
und kurz darauf zum Ministerpräsidenten und Minister der aus- 
wärtigen Angelegenheiten ernannt. Durch diese Berufung eines 
„reaktionären Junkers“ wurde das Mißtrauen des Abgeordneten- 
hauses noch vermehrt. Der Konflikt brach offen aus, als das 
Herrenhaus (entgegen der Vorschrift des Art. 62 Pr Vll., wonach 
Staatshaushaltsetats vom Herrenhause nur im ganzen ange- 
nommen oder abgelehnt werden dürfen) das von der Regierung 
vorgelegte Budget mit den Heereskosten annahm, was das Abge- 
ordnetenhaus für verfassungswidrig erklärte. Die Regierung 
führte nun die Verwaltung bis 1866 ohne verfassungsmäßig 
zustande gekommenes Budget fort. Erst nach dem glücklichen 
Kriege von 1866 wurde der Konflikt beigelegt, indem die Regie- 
rung einen Gesetzentwurf einbrachte, durch den sie die Erteilung
	        
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