Full text: Reichs-Gesetzblatt. 1896. (30)

— 342 — 
Drittes Buch. 
Sachenrecht. 
Erster Abschnitt. 
Besitz. 
§. 854. 
Der Besitz einer Sache wird durch die Erlangung der thatsächlichen Gewalt 
über die Sache erworben. 
Die Einigung des bisherigen Besitzers und des Erwerbers genügt zum Erwerbe, 
wenn der Erwerber in der Lage ist, die Gewalt über die Sache auszuüben. 
§. 855. 
Uebt Jemand die thatsächliche Gewalt über eine Sache für einen Anderen in 
dessen Haushalt oder Erwerbsgeschäft oder in einem ähnlichen Verhältniß aus, ver- 
möge dessen er den sich auf die Sache beziehenden Weisungen des Anderen Folge zu 
leisten hat, so ist nur der Andere Besitzer. 
§. 856. 
Der Besitz wird dadurch beendigt, daß der Besitzer die thatsächliche Gewalt 
über die Sache aufgiebt oder in anderer Weise verliert. 
Durch eine ihrer Natur nach vorübergehende Verhinderung in der Ausübung 
der Gewalt wird der Besitz nicht beendigt. 
§. 857. 
Der Besitz geht auf den Erben über. 
§. 858. 
Wer dem Besitzer ohne dessen Willen den Besitz entzieht oder ihn im Besitze 
stört, handelt, sofern nicht das Gesetz die Entziehung oder die Störung gestattet, 
widerrechtlich (verbotene Eigenmacht). 
Der durch verbotene Eigenmacht erlangte Besitz ist fehlerhaft. Die Fehler- 
haftigkeit muß der Nachfolger im Besitze gegen sich gelten lassen, wenn er Erbe des 
Besitzers ist oder die Fehlerhaftigkeit des Besitzes seines Vorgängers bei dem 
Erwerbe kennt. 
§. 859. 
Der Besitzer darf sich verbotener Eigenmacht mit Gewalt erwehren. 
Wird eine bewegliche Sache dem Besitzer mittelst verbotener Eigenmacht weg- 
genommen, so darf er sie dem auf frischer That betroffenen oder verfolgten Thäter 
mit Gewalt wiederabnehmen.
	        
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