Full text: Reichs-Gesetzblatt. 1896. (30)

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§. 2072. 
Hat der Erblasser die Armen ohne nähere Bestimmung bedacht, so ist im 
Zweifel anzunehmen, daß die öffentliche Armenkasse der Gemeinde, in deren Bezirk 
er seinen letzten Wohnsitz gehabt hat, unter der Auflage bedacht ist, das Zugewendete 
unter Arme zu vertheilen. 
§. 2073. 
Hat der Erblasser den Bedachten in einer Weise bezeichnet, die auf mehrere 
Personen paßt, und läßt sich nicht ermitteln, wer von ihnen bedacht werden sollte, 
so gelten sie als zu gleichen Theilen bedacht. 
§. 2074. 
Hat der Erblasser eine letztwillige Zuwendung unter einer aufschiebenden Be- 
dingung gemacht, so ist im Zweifel anzunehmen, daß die Zuwendung nur gelten 
soll, wenn der Bedachte den Eintritt der Bedingung erlebt. 
§. 2075. 
Hat der Erblasser eine letztwillige Zuwendung unter der Bedingung gemacht, 
daß der Bedachte während eines Zeitraums von unbestimmter Dauer etwas unterläßt 
oder fortgesetzt thut, so ist, wenn das Unterlassen oder das Thun lediglich in der 
Willkür des Bedachten liegt, im Zweifel anzunehmen, daß die Zuwendung von der 
auflösenden Bedingung abhängig sein soll, daß der Bedachte die Handlung vornimmt 
oder das Thun unterläßt. 
 §. 2076. 
Bezweckt die Bedingung, unter der eine letztwillige Zuwendung gemacht ist, 
den Vortheil eines Dritten, so gilt sie im Zweifel als eingetreten, wenn der Dritte 
die zum Eintritte der Bedingung erforderliche Mitwirkung verweigert. 
§. 2077. 
Eine letztwillige Verfügung, durch die der Erblasser seinen Ehegatten bedacht 
hat, ist unwirksam, wenn die Ehe nichtig oder wenn sie vor dem Tode des Erb- 
lassers aufgelöst worden ist. Der Auflösung der Ehe steht es gleich, wenn der Erb- 
lasser zur Zeit seines Todes auf Scheidung wegen Verschuldens des Ehegatten zu 
klagen berechtigt war und die Klage auf Scheidung oder auf Aufhebung der ehelichen 
Gemeinschaft erhoben hatte. 
Eine letztwillige Verfügung, durch die der Erblasser seinen Verlobten bedacht 
hat, ist unwirksam, wenn das Verlöbniß vor dem Tode des Erblassers aufgelöst 
worden ist. 
Die Verfügung ist nicht unwirksam, wenn anzunehmen ist, daß der Erblasser 
sie auch für einen solchen Fall getroffen haben würde. 
§. 2078. 
Eine letztwillige Verfügung kann angefochten werden, soweit der Erblasser über 
den Inhalt seiner Erklärung im Irrthume war oder eine Erklärung dieses Inhalts 
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