Full text: Reichs-Gesetzblatt. 1898. (32)

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§. 456. 
Auf Antrag eines Verurtheilten, welcher nicht zu den Militärpersonen des 
aktiven Heeres oder der aktiven Marine gehört, kann die Vollstreckung auf— 
geschoben werden, sofern durch die sofortige Vollstreckung dem Verurtheilten oder 
der Familie desselben erhebliche, außerhalb des Strafzwecks liegende Nachtheile 
erwachsen. 
Der Strafaufschub darf den Zeitraum von vier Monaten nicht übersteigen. 
Die Bewilligung desselben kann an eine Sicherheitsleistung oder andere 
Bedingungen geknüpft werden. 
§. 457. 
Die Vollstreckung von Arreststrafen kann im Interesse des Dienstes auf 
Anordnung des kommandirenden Generals (Admirals) aufgeschoben werden. 
§. 458. 
Für den in Untersuchungshaft befindlichen Angeklagten, welcher zu einer 
Freiheitsstrafe verurtheilt wird, ist die zu verbüßende Strafe vom Tage der 
Rechtskraft des Urtheils zu berechnen. 
Hat der Angeklagte auf Einlegung eines Rechtsmittels verzichtet, so wird 
die Strafe bereits vom Tage des Verzichts berechnet. Eine entsprechende Be- 
rechnung tritt ein, wenn der Angeklagte das eingelegte Rechtsmittel zurückgenommen 
oder, ohne eine Erklärung abzugeben, die Einlegungsfrist hat verstreichen lassen. 
§. 459. 
Erfolgt in den Fällen des §. 458 die Verhaftung des Angeklagten erst 
nach den dort bezeichneten Zeitpunkten, so wird die Strafe vom Tage der Ver- 
haftung berechnet. 
§. 460. 
Ist der Verurtheilte nach Beginn der Strafvollstreckung, ohne daß eine 
Unterbrechung derselben angeordnet wird, wegen Krankheit in eine von der Straf- 
anstalt getrennte Krankenanstalt gebracht worden, so ist die Dauer des Aufent- 
halts in der Krankenanstalt in die Strafzeit einzurechnen, sofern er nicht mit der 
Absicht, die Strafvollstreckung zu unterbrechen, die Krankheit herbeigeführt oder 
verlängert hat. 
§.  461. 
Ist Jemand durch verschiedene rechtskräftige Urtheile zu Strafen verurtheilt 
worden, und sind dabei die Vorschriften über die Zuerkennung einer Gesammt- 
strafe (§. 79 des bürgerlichen Strafgesetzbuchs) außer Betracht geblieben, so sind 
die erkannten Strafen auf eine Gesammtstrafe zurückzuführen. 
Die Entscheidung steht demjenigen Gerichte zu, welches die schwerste Straf- 
art oder bei Strafen gleicher Art die höchste Strafe erkannt hat, falls hiernach 
aber mehrere Gerichte zuständig sein würden, demjenigen, dessen Urtheil zuletzt 
ergangen ist. War das hiernach maßgebende Urtheil von einem Gerichte höherer 
Reichs-Gesetzbl. 1898. 196
	        
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