Full text: Reichs-Gesetzblatt. 1898. (32)

Fünfter Abschnitt. 
Nachlaß= und Theilungssachen. 
§. 72. 
Für die dem Nachlaßgericht obliegenden Verrichtungen sind die Amtsgerichte 
zuständig. 
§. 73. 
Die örtliche Zuständigkeit bestimmt sich nach dem Wohnsitze, den der Erblasser 
zur Zeit des Erbfalls hatte; in Ermangelung eines inländischen Wohnsitzes ist das 
Gericht zuständig, in dessen Bezirke der Erblasser zur Zeit des Erbfalls seinen 
Aufenthalt hatte. 
Ist der Erblasser ein Deutscher und hatte er zur Zeit des Erbfalls im Inlande 
weder Wohnsitz noch Aufenthalt, so ist das Gericht zuständig, in dessen Bezirke der 
Erblasser seinen letzten inländischen Wohnsitz hatte. In Ermangelung eines solchen 
Wohnsitzes wird das zuständige Amtsgericht, falls der Erblasser zur Zeit des Erbfalls 
einem Bundesstaat angehörte, von der Landesjustizverwaltung, anderenfalls von dem 
Reichskanzler bestimmt. 
Ist der Erblasser ein Ausländer und hatte er zur Zeit des Erbfalls im Inlande 
weder Wohnsitz noch Aufenthalt, so ist jedes Gericht, in dessen Bezirke sich Nachlaß- 
gegenstände befinden, in Ansehung aller im Inlande befindlichen Nachlaßgegenstände 
zuständig. Die Vorschriften des §. 2369 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs finden 
Anwendung. 
$. 74. 
Für die Sicherung des Nachlasses ist jedes Amtsgericht zuständig, in dessen 
Bezirke das Bedürfniß der Fürsorge hervortritt. Das Gericht soll von den an— 
geordneten Maßregeln dem nach §. 73 zuständigen Nachlaßgerichte Mittheilung machen. 
§. 75. 
Auf die Nachlaßpflegschaft finden die für Vormundschaftssachen geltenden Vor- 
schriften dieses Gesetzes Anwendung. Unberührt bleiben die Vorschriften über die 
Zuständigkeit des Nachlaßgerichtsz das Nachlaßgericht kann jedoch die Pflegschaft nach 
Maßgabe des §. 46 an ein anderes Nachlaßgericht abgeben. 
§. 76. 
Gegen eine Verfügung, durch die dem Antrage des Erben, die Nachlaßverwaltung 
anzuordnen, stattgegeben wird, ist die Beschwerde unzulässig. 
Gegen eine Verfügung, durch die dem Antrag eines Nachlaßgläubigers, die 
Nachlaßverwaltung anzuordnen, stattgegeben wird, findet die sofortige Beschwerde statt. 
Die Beschwerde steht nur dem Erben, bei Miterben jedem Erben, sowie dem Testaments- 
vollstrecker zu, welcher zur Verwaltung des Nachlasses berechtigt ist. 
Reichs-Gesetzbl. 1898. 115
	        
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